„Wer nur auf Aktien setzt, verschenkt Potenzial“

  • Die Leitzinsen sind in Europa in einem komfortablen Bereich angekommen.
  • Meistens wird unterschätzt, welche Performance außerhalb des Aktienbereichs möglich ist.
  • Gold hat seit der Jahrtausendwende eine überdurchschnittliche Performance gebracht.
Portrait von Thomas Romig, Geschäftsführer der Münchner Assenagon Asset Management S.A.
Portrait von Thomas Romig, Geschäftsführer der Münchner Assenagon Asset Management S.A.
Thomas Romig
Geschäftsführer der Assenagon Asset Management S.A.
Thomas Romig ist Geschäftsführer der Assenagon Asset Management S.A. Neben seiner Rolle als Geschäftsführer verantwortet er als CIO Multi Asset den Bereich Multi Asset Portfolio Management. Davor war der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Kaufmann Leiter des Multi Asset Managements bei Union Investment.

Trotz Trumps volatiler Zollpolitik und den Kriegen in der Ukraine und Nahost stiegen die Börsenkurse im 1. Halbjahr per saldo weiter an. Erstaunt Sie das?

Nein. Wir erklären uns den Anstieg vor allem damit, dass weiterhin viel Geld im System ist. Die Notenbanken haben seit der Finanzkrise Geld produziert ohne Ende. Zudem glauben viele Marktteilnehmer, dass die Fed und die EZB im Notfall wieder als Rettungsanker dienen würden. Da das Geld von den Regierungen großzügig ausgegeben wird, setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch: Wer Kapital hat, sollte nicht in Festgeld investieren, sondern sein Vermögen durch Sachwerte mehren. Als Trump seine Zollpolitik präsentierte, war klar: Entweder stürzen die Märkte wie zu Beginn der Corona-Pandemie hart ab. Es war eine klassische 0/1-Situation: Dann hätte es statt um 20 % auch um 35 % runtergehen können. Oder es kommt eine Entwarnung – wie geschehen.

Kann sich das positive Momentum an den Börsen im 2. Halbjahr fortsetzen?

Es könnte zu einer Verstetigung kommen. Der Anstieg steht zunehmend auf breiterer Basis. Die einseitige Dominanz der USA und der Technologiewerte ist beendet. Zudem sehen wir jetzt eine Dollar-Schwäche, die in der Vergangenheit gut für Emerging-Markets-Investments war. Es gibt zudem aktuell keinerlei Euphorie unter den Investoren. Nach unseren Untersuchungen sind sie gerade mal in Höhe des langjährigen Durchschnitts an den Aktienmärkten engagiert. Wenn die Erwartungen moderat sind, ist das Enttäuschungspotenzial entsprechend gering. Wenn sich aber wirklich wieder Wachstum einstellen sollte, kann es durchaus noch einen Schub geben.

Auch in den USA?

Ja. Nach der Korrektur, die mit Trumps Amtsantritt einsetzte, hat sich der US-Markt seit Ende April dynamisch erholt. Der NASDAQ stellte Ende Juni sogar wieder einen Rekord auf. Es wäre ein großer Fehler, den US-Aktienmarkt abzuschreiben. Donald Trump ist aber immer für Überraschungen gut und eine gewisse Volatilität im Markt dürfte bleiben. Beim Zollkonflikt hat sich gezeigt, dass man sich bei Trump nie sicher sein kann und immer wieder mit unverhofften Kurswechseln zu rechnen ist.

Bisher haben in diesem Jahr aber die europäischen Märkte profitiert, vor allem Deutschland. Kann das so weitergehen?

Der Grundstein dafür ist gelegt. Die Leitzinsen sind in Europa in einem komfortablen Bereich angekommen. Die Zinsstrukturkurve hat sich normalisiert. Das kommt auch den Banken zugute. Zudem gibt es massive Unterstützung aus der Politik. Die Staatshaushalte werden damit nicht stabiler, aber die Wirtschaft bekommt einen Impuls. Es gibt wieder Wachstum, wenn auch auf niedrigem Niveau. 2026 dürfte sich das Wachstum beschleunigen und die Unternehmensgewinne anfeuern. Dann könnten günstig bewertete Value-Werte noch mehr in den Fokus rücken.

Können davon auch Small und Mid Caps profitieren, die nun schon seit 5 Jahren schlechter als der Gesamtmarkt abschneiden?

Die Bewertungen sind nach wie vor günstig und die Konjunkturprogramme wirken sich positiv aus. Mehr Geld allein reicht aber nicht aus. Für den Staat fängt der Job eigentlich jetzt erst an: Er heißt Bürokratieabbau. Notwendig wäre eine Abkehr von der Regulierungswut in Europa, speziell in Deutschland. Sie macht vor allem kleineren Unternehmen das Leben schwer. Weniger Regulierung würde bei den Small und Mid Caps neue Kräfte freisetzen.

Welche Chancen sehen Sie in Asien?

Japan gehört für mich zu den interessantesten Anlageregionen. Die reformorientierte Regierung hat die Unternehmen zu mehr Transparenz in den Bilanzen aufgefordert und die Corporate Governance verbessert sich. Die Unternehmensbewertungen sind attraktiv und eine Inflationsrate von 2 % bekommt Japan nach der langen Deflation gut. Das erkennen auch die einheimischen Investorinnen und Investoren: Das Kapital, das zuletzt vermehrt in den US investiert wurde, kommt langsam in den japanischen Aktienmarkt zurück. Südkorea schlägt inzwischen einen ähnlichen wirtschaftspolitischen Weg ein wie Japan. Auch die ASEAN-Staaten sind gut positioniert. Chinas Aktienmärkte sind preiswert, aber die Regulierung und die politische Situation sind Bremsfaktoren.

Die Zeit der Nullzinsen liegt hinter uns. Aktuell normalisiert sich auch die Zinskurve. Für Kredite mit längeren Laufzeiten gibt es wieder mehr Zinsen als für Kurzläufer. Wo sehen Sie zurzeit besonders spannende Gelegenheiten im Anleihesektor?

Sicherlich nicht bei den Staatsanleihen. Weltweit sind die Staaten im Ausgabemodus und ihre Schulden werden weiter steigen. Das belastet die Staatshaushalte zunehmend. Auch Deutschland hat sich mit dem Infrastrukturprogramm und nahezu unbegrenzten Rüstungsausgaben der Koalition der Schuldenmacher angeschlossen. Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Bei Inflationserwartungen von 2 bis 4 % sind 2,5 % Rendite bei 10-jährigen Bundesanleihen für Anleger nicht interessant. Nach Abzug von Steuern und Inflation steht da allenfalls eine schwarze Null. Deutlich attraktiver präsentiert sich das gesamte Segment der Corporate Bonds. Anleihen von Top-Unternehmen sind objektiv bonitätsstärker als die meisten Staaten, aber auch High-Yield-Bonds von Unternehmen mit schwächerer Bonität bleiben interessant. In diesen Segmenten konnten wir in den vergangenen 12 Monaten annähernd 2-stellige Renditen erwirtschaften.

Also gibt es auch außerhalb des Aktienmarktes wieder interessante Anlagemöglichkeiten?

Absolut. Wer nur auf Aktien setzt, verschenkt Potenzial. Eine breite Aufstellung über die verschiedenen Anlageklassen hinweg schützt vor starken Rückschlägen am Aktienmarkt. Immobilien und Gold helfen bei der Stabilisierung des Portfolios. Gold etwa hat seit der Jahrtausendwende eine überdurchschnittliche Performance gebracht, weil die Anleger den gängigen Währungen zunehmend misstrauen. Wir halten aktuell rund 6 bis 7 % des Portfolios in Gold. In unserem defensiven Mischfonds Assenagon Multi Asset Conservative, der gerade seinen 10. Geburtstag feiert, kamen seit 2015 rund 50 % der Rendite aus Aktienanlagen, die anderen 50 % vorrangig aus Rentenpapieren – obwohl die Zinssituation in diesem Jahrzehnt nicht wirklich prickelnd war.

Wie offensiv stellen Sie Ihre Mischfonds aktuell auf? Wir bleiben vorsichtig optimistisch. Im April hatten wir die Aktienquoten rund um den Zollschock schnell heruntergefahren. Im defensiven Multi Asset-Fonds etwa von 45 auf 25 %. Heute liegen wir aber wieder mit 42 % deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Auch der ausgewogene Assenagon Multi Asset Balanced Fonds liegt mit seiner Aktienquote von 65 % weit über der Benchmark von 50 %. Allerdings bleiben wir wachsam und sind bereit, bei größeren Erschütterungen am Markt schnell wieder defensiver zu werden.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 16.07.2025; Quelle: comdirect.de

Heinz-Peter Arndt, Diplomvolkswirt und Diplomjournalist, schreibt seit über 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage
Heinz-Peter Arndt, Diplomvolkswirt und Diplomjournalist, schreibt seit über 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage
Autor
Heinz-Peter Arndt
Der Diplomvolkswirt und Diplomjournalist schreibt seit mehr als 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage.
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