Fondsmanager Peter Huber warnt vor irrationalem Überschwang bei Tech-Werten. Für vermeintlich langweilige Value-Werte sieht er mittelfristig bessere Chancen.
Peter Huber
Peter Huber ist einer der erfahrensten Vermögensverwalter Deutschlands und seit mehr als 50 Jahren an der Börse aktiv. Nach zwei Jahren Rückzug aus dem aktiven Geschäft ist der Gründer und langjährige Vorstand von Starcapital seit 2020 Partner bei Taunus Trust in Bad Homburg.
comdirect: Herr Huber, weltweit wird die Wirtschaft durch das Corona-Virus ausgebremst, aber an der Börse ziehen die Kurse nach oben. Ist das noch normal?
Peter Huber: Es kämpfen zurzeit zwei Kräfte gegeneinander: grottenschlechte Konjunkturdaten und einbrechende Gewinne auf der einen Seite, Notenbanken und Regierungen mit Geldspritzen im Überfluss auf der anderen Seite. Solche Situationen gab es in der Vergangenheit schon, nur nicht in so gigantischem Ausmaß. Heute geht es eben um Billionen statt um Milliarden. Aus Erfahrung weiß ich: Schlechte konjunkturelle Daten können kurzfristig sehr belastend sein. Aber wenn sie nicht von Dauer sind, lassen die negativen Effekte relativ schnell nach. Monetäre Faktoren setzen sich jedoch meist langfristig durch.
comdirect: Als Value-Anleger haben Sie bisher kaum vom Wiederaufschwung an den Börsen profitiert. Woran liegt das?
Peter Huber: Seit Jahresanfang hat der MSCI Growth zugelegt, der MSCI Value Index dagegen verloren. Eine solche Diskrepanz habe ich in der Tat in meiner mehr als 50-jährigen Beschäftigung mit der Börse noch nicht erlebt. Das ist zwar einerseits eine bittere Bilanz. Aber auf der anderen Seite ist es auch positiv. Denn zyklische Aktien und Value-Werte mit hohen Dividendenrenditen sind weiterhin extrem günstig zu haben. Die verheerenden Unternehmensdaten für das 2. Quartal dürften inzwischen in den Kursen verarbeitet sein. Ich erwartete in naher Zukunft den Switch von Growth- zu Value-Werten.
comdirect: Value-Investing ist also nicht tot?
Peter Huber: Auf keinen Fall. „Diesmal ist alles anders“ ist der teuerste Satz für Börsianer. Solche New-Economy-Allüren hatten wir schon mal – bis im Frühjahr 2000 die Blase platzte. Der Nasdaq stand im Frühjahr 2000 bei 5.000 Punkten. In den folgenden neun Jahren hat er 75 % seines Wertes verloren und es dauerte 14 Jahre, bis er seinen alten Hochpunkt wieder erreichte. Lange Phasen der Underperformance wie bei Value-Aktien in den letzten 10 Jahren sind also völlig normal. Langfristig ist meiner Meinung nach Value-Investing allen anderen Anlagestilen überlegen.
comdirect: Wir bekommen jetzt also kein „New Normal“ an den Börsen, wo Tech-Werte alles in den Schatten stellen?
Peter Huber: Die Vergangenheit lehrt uns, dass es nicht so sein wird. Als ich an der Schwelle zu den 1970er-Jahren meine ersten Aktien kaufte, gab es die „Nifty Fifty“ – 50 Wachstumswerte, die immer stiegen. 1972 brachen sie massiv ein, weil die Bewertung selbst bei Aktien wie Coca Cola absurd hoch geworden war. In den 1980er-Jahren gingen japanische Aktien durch die Decke – dann platzte die Blase und der Nikkei steht heute noch weit unter seinem Rekord von 1990. In den 1990ern hatten wir die New-Economy-Welle – nur die besten wie Amazon überlebten. Nach der Jahrtausendwende schließlich standen Rohstoffe und vor allem Öl im Fokus. Im Frühjahr dieses Jahres war der Ölpreis sogar negativ! Dann kam die Tech- und Social-Media-Welle und ich prophezeie: Zumindest in der Breite werden diese Werte in den 2020ern keine Blütezeit erleben.
comdirect: Welche Branchen sind aktuell für einen Value-Investor und Chancenjäger besonders attraktiv?
Peter Huber: Fast alle außer klassische Banken. Bei Bauaktien etwa verstehe ich nicht, warum sie sich nach dem Einbruch noch nicht erholt haben. Wohnungen werden weiter massiv gebraucht und die Bauindustrie profitiert zudem von den angekündigten Infrastrukturmaßnahmen. Auch Maschinenbau und Chemie, Industrie- und Ölwerte bieten gute Dividendenrenditen, attraktive Kurs-Buchwert-Verhältnisse und extrem niedrige Einstiegskurse. Prinzipiell gesunde Unternehmen aus den jeweiligen Sektoren haben entsprechend hohes Aufholpotenzial.
comdirect: Gilt das auch für die Not leidende Automobilindustrie? Oder bevorzugen Sie gar Tesla?
Peter Huber: Natürlich stehen die deutschen und internationalen Automobilhersteller mitten im Umbruch und vor massiven Investitionen. Aber abgesehen vom aktuellen Jahr haben sie in den 2010ern Milliardengewinne erzielt. Tesla dagegen schreibt gerade mal seit ein paar Quartalen schwarze Zahlen. Gleichzeitig ist Tesla an der Börse aktuell mehr wert als die gesamte europäische Automobilindustrie mit VW, Daimler, BMW, Renault, PSA und Fiat? Das ist doch absurd.
„Die erste Wahl sind und bleiben für mich aber preiswerte Qualitätsaktien.“
Peter Huber
comdirect: Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen – in Europa, Amerika oder in Asien?
Peter Huber: Es kommt immer auf das einzelne Unternehmen an. Aber insgesamt sehe ich Europa und Asien vorn. In den Vereinigten Staaten haben Aktienrückkäufe von bis zu fast einer Billion Dollar pro Jahr die Kurse nach oben getrieben. Entsprechend hoch ist die aktuelle Bewertung. In Europa und Asien finden sich nach meiner Einschätzung und nach meinem Bewertungsschema viel mehr interessante Einstiegsgelegenheiten.
comdirect: Gibt es in den Emerging Markets heute attraktive Einstiegskurse?
Peter Huber: Asien hat inzwischen auch außerhalb Japans Konzerne mit Weltgeltung – etwa LG und Samsung. China, Südkorea, Taiwan, Thailand und andere Länder sind bisher gut durch die Covid-Krise gekommen und haben meiner Meinung nach langfristig hervorragende Wachstumsperspektiven. Außer bei den internationalen Blue Chips ist für Anleger der Einstieg bei asiatischen Aktien schwierig. Deshalb können breit investierende Asien-ETFs eine interessante und kostengünstige Lösung sein, gerade auch im aktuellen Umfeld.
comdirect: In Ihrer langen Karriere als Vermögensverwalter waren Sie dafür bekannt, Anleihen und Aktien gleichermaßen gut managen zu können. Nutzt Ihnen das in Nullzinszeiten noch etwas?
Peter Huber: Nur sehr bedingt. Ab 1981 habe ich ausgewogene Depots betreut. Noch bis vor zwei Jahren galt für meine Fonds eine Benchmark aus 60 % Aktien und 40 % Anleihen. Das habe ich aufgegeben, weil Anleihen in diesen Nullzinszeiten extrem überteuert sind. Aktien dagegen sind im Vergleich dazu spottbillig. Früher erschien bei Anleihezinsen von 6 % ein Kurs-Gewinn-Verhältniss von rund 15 bei Aktien gerechtfertigt. Heute liegen die sicheren Zinsen nahe der Nullgrenze. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Aktien dürften also weit höher liegen.
comdirect: Ein inflationärer Schub könnte die Rendite von Anleihen sogar noch weit in die Miesen treiben …
Peter Huber: Das ist richtig. Preise bewegten sich traditionell durch Veränderungen bei Angebot und Nachfrage. In Zeiten von knappem Angebot stieg die Inflationsrate. Heute hat sich das allerdings verschoben. Denn durch den globalen Kapitalismus ist das Angebot nahezu unbegrenzt. Die Nachfrage kommt da bei Gütern des täglichen Bedarfs gar nicht mit. Deshalb steigen auch bisher die Preise selbst bei enormen Geldspritzen durch die Notenbanken kaum an. Dennoch haben wir bereits Inflation – da wo das Angebot begrenzt ist wie bei Kunst, Immobilien, Grundstücken oder auch Aktien.
comdirect: Dann läge ja ein Plädoyer nahe, in diesen unruhigen Zeiten den Anleiheanteil durch das begrenzt verfügbare Gold zu ersetzen?
Peter Huber: Ein Anteil von 5 % physischem Gold am Portfolio als Absicherung schadet bestimmt nicht. Wohlgemerkt als langfristige Absicherung – denn gerade auch beim Goldpreis haben wir in der Vergangenheit so manche spekulative Blase erlebt. Die erste Wahl sind und bleiben für mich aber preiswerte Qualitätsaktien.
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