Netflix verliert erstmals nach zehn Jahren Kunden. Nach dem Kursrückgang ist die Aktie aber wieder günstiger bewertet.
Schock für die Anleger: Da in den ersten drei Monaten 2022 die Zahl der Abos erstmals seit zehn Jahren zurückging und auch der Ausblick mager blieb, stürzte die Netflix-Aktie ab. Nach dem Kurssturz ist die Aktie deutlich günstiger bewertet als in der jüngeren Vergangenheit. Nach wie vor ist Netflix Marktführer im Streaming-Geschäft und macht dem klassischen Fernsehen und den Kinos erhebliche Konkurrenz. Der Umsatz stieg im ersten Quartal 2022 durch Preissteigerungen um rund 10 % gegenüber dem Vorjahr an. Mit neuen Geschäftsfeldern sollen zusätzliche Kunden gewonnen werden. Allerdings bedroht eine zunehmende Konkurrenz die Vormachtstellung des Konzerns und die ehemals so positiv gestimmten Analysten warten erst einmal die weitere Entwicklung ab.
Pro Netflix (WKN 552484)
- Platzhirsch im Streaming-Geschäft: Netflix ist der Pionier im Streaming-Geschäft. Mit über 220 Millionen Abonnenten ist Netflix Marktführer und macht mit eigenproduzierten Serien und großen Filmproduktionen dem klassischen Fernsehen und den Kinos Konkurrenz. Bisher war der Konzern weltweit außer in China präsent. Nach dem Krieg in der Ukraine hat er sich aber aus Russland zurückgezogen.
- Umsatzanstieg: Im ersten Quartal dieses Jahres konnte Netflix aufgrund von Preissteigerungen und der Diversifizierung des Geschäfts den Umsatz um rund 10 % auf knapp 7,9 Milliarden US-Dollar steigern. Beim Gewinn gelang dies jedoch nicht. Der Überschuss sank gegenüber dem Wert des Vorjahresquartals um etwa 6 % auf 1,6 Milliarden US-Dollar.
- Neue Erlösquellen anvisiert: Netflix setzt mit einem Onlineshop mit Fan-Artikeln und Videospielen auf zusätzliche Erlösquellen. Möglich erscheint in Zukunft auch ein günstigeres Abonnement, für das die User aber Werbeeinblendungen in Kauf nehmen müssten. Zudem möchte Firmenchef Reed Hastings auch Kunden zur Kasse bitten, die aktuell noch Einwahldaten von Abonnenten kostenlos nutzen.
- Hohe Bewertung korrigiert: Nach dem Kurseinbruch ist die jahrelang sehr ambitioniert bewertete Netflix-Aktie wieder in einer normalen Range angekommen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für das Jahr 2022 beträgt noch rund 17 und ist damit vergleichsweise moderat, wenn Netflix wieder an vergangenes Wachstum anschließen kann.
Contra Netflix (WKN 552484)
- Überraschender Kundenschwund: Netflix hat erstmals seit mehr als zehn Jahren ein Quartal mit Kundenschwund verkraften müssen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres gingen netto bis Ende März rund 200.000 Bezahl-Abonnements auf nunmehr 221,6 Millionen verloren. Das lag an der Deaktivierung aller 700.000 Kundenkonten in Russland. Ohne diese Maßnahme hätte es ein mageres Plus von 500.000 Kunden gegeben.
- Magerer Ausblick drückt den Kurs: Noch schlechter kam an der Börse der Ausblick auf das zweite Quartal an. Netflix befürchtet zwischen April und Juni noch einmal einen Verlust von zwei Millionen Kunden. Die Aktie reagierte mit einem Kursverlust von rund 25 % und hat seit ihrem Hoch im Jahr 2021 zwei Drittel an Wert eingebüßt.
- Wachsende Konkurrenz: Netflix muss sich als Pionier und Marktführer weltweit zunehmender Konkurrenz erwehren. Amazon steigt mit Prime Video sogar im Fußballgeschäft ein. Disney+ hat Zugriff auf die gigantische Filmbibliothek des Konzerns und auch von Pixar. Disney+ lag zum Jahresende 2021 immerhin schon bei 130 Millionen Kunden und wächst deutlich stärker als Netflix.
- Experten sind skeptisch geworden: Die Aktie von Netflix gehörte lange zu den Analystenlieblingen. Das hat sich nach den schwachen Quartalszahlen geändert. Aktuell lauten fünf von sieben Urteilen im comdirect Analystenranking auf „Halten“, nur ein einziger Experte setzt auf „Kaufen“, ebenfalls einer rät zum „Verkauf“. Der comdirect Analystenscore ist auf magere 0 % geschrumpft.
Über Netflix
Netflix wurde von Reed Hastings und Marc Randolph 1997 in Kalifornien gegründet. Zunächst präsentierte sich das Unternehmen als Online-Videothek mit dem Versand von Filmen von DVD und später Blu-Ray an seine Abonnenten. Mit zunehmender Schnelligkeit der Datenübertragung und sinkenden Kosten im Internet bot Netflix ab 2007 Filme auch online als Video-on-Demand an. Frühzeitig erkannte das Management das Wachstumspotenzial des Internets, den rasanten Fortschritt in der Übertragungsqualität und den Trend zu mehr Flexibilität beim Konsum bewegter Bilder, vor allem in der jüngeren Generation.
Die Expansion startete Netflix 2010 mit dem Erwerb der Rechte am Onlinevertrieb von Filmen der Studios MGM, Paramount und Lions Gate. In den folgenden Jahren konzentrierte sich das Unternehmen zunehmend auf Eigenproduktionen, die Qualitätsmaßstäbe setzten. Mit preisgekrönten Serien wie „House of Cards“, „Narcos“ oder „The Crown“ oder dem neuen Hit „Stranger Things“ und zunehmend auch Filmen wie „The Irishman“ von Martin Scorsese oder „The Gray Man“ mit Ryan Gosling beschäftigt Netflix Hollywood-Größen als Schauspieler, Regisseure und Produzenten.
Bis 2010 war Netflix allein in den USA vertreten. Dann begann die internationale Expansion mit dem Schritt nach Kanada. Inzwischen ist Netflix nahezu weltweit mit Ausnahme von China und Russland (seit der Deaktivierung der Abo-Konten nach dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine) präsent und bietet ein internationales Programm mit Untertiteln oder in synchronisierten Fassungen. Die USA und Kanada machen gut ein Drittel der über 220 Millionen Kunden aus. Kaum weniger stammen aus dem sogenannten EMEA-Raum (Europa, Naher Osten und Afrika), den Rest teilen sich Lateinamerika und Asien.
Im Streaming-Markt hat sich Netflix mit seinem breiten Programm und zahlreichen gefeierten Eigenproduktionen zunächst einen großen Vorsprung vor der Konkurrenz sichern können. Das schlug sich über lange Zeit auch an der Börse nieder. Zwischenzeitlich konnte die Streaming-Aktie sogar das Papier des Disney-Konzerns hinter sich lassen. Das hat sich zuletzt jedoch gravierend verändert. Nach dem schwachen Jahresbeginn 2022 rutschte die Marktkapitalisierung des Netflix-Konzerns unter die Marke von 85 Milliarden US-Dollar.
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