Jahresausblick: „2024 wird ein positives Aktienjahr“

Portrait von Thomas Romig, Geschäftsführer der Münchner Assenagon Asset Management S.A.
Portrait von Thomas Romig, Geschäftsführer der Münchner Assenagon Asset Management S.A.
Thomas Romig
Geschäftsführer Münchner Assenagon Asset Management S.A.
Neben seiner Rolle als Geschäftsführer verantwortet Thomas Romig den Bereich Multi Asset Portfolio Management. Davor war der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Kaufmann Leiter des Multi Asset Managements bei Union Investment.

Trotz steigender Zinsen, hoher Inflation und Kriegen in der Ukraine und Palästina fiel das Börsenjahr 2023 überraschend gut aus. Sind Sie für das neue Jahr positiv gestimmt?

Auf höhere Inflation und Rezession haben uns die Volkswirte schon seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eingestimmt. Doch die Unternehmen haben sich insgesamt passabel gehalten, in den USA sogar sehr gut. Die Unternehmensleiter waren vorbereitet, sind kreativ mit der Inflation umgegangen, haben ihre Kosten kontrolliert und konnten so ihre Margen halten. Eine ähnliche Entwicklung erwarten wir für das kommende Jahr, zumal sich die Inflations- und Zinssituation beruhigt. 2024 wird ein positives Aktienjahr. Wir erwarten global ein Plus zwischen 5 und 15 %. Aber auch der Anleihenmarkt ist attraktiver geworden. Dort finden wir einige Teilbereiche sehr attraktiv.

Welche Faktoren sprechen für eher steigende Kurse und welche für eher sinkende?

Die Stimmung an den Aktienmärkten ist trotz der Gewinne im Jahr 2023 nur unterdurchschnittlich gut, von Euphorie keine Spur. Die chinesische Regierung hat angekündigt, die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Das dürfte die asiatischen Nachbarn stärken und auch dem Export westlicher Industrienationen zugutekommen. Zudem sind US-Wahljahre in der Regel gute Börsenjahre. Schließlich kann man auch darauf hoffen, dass sich die politischen Spannungen 2024 wieder etwas beruhigen. Allerdings ist die Gesellschaft in den USA gespalten wie nie, die Schuldenberge steigen global an und speziell in Deutschland ist Regierungsfähigkeit aktuell kaum gegeben. Entsprechend ist auch im kommenden Jahr mit Schwankungen an den Märkten zu rechnen. Das heißt, die Börse bleibt keine Einbahnstraße nach oben.

Setzt sich der Aufschwung der Tech-Aktien fort?

Den enormen Aufschwung bei den „glorreichen Sieben“ – Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla – hat am Markt niemand in diesem Ausmaß vorausgesehen. Aber sie sind eben aufgrund ihrer finanziellen Stabilität von den Zinssteigerungen kaum betroffen und das Thema künstliche Intelligenz hat die Aktien zusätzlich befeuert. Die Bewertungen der sieben Unternehmen scheinen inzwischen aber teilweise sehr hoch. Das schließt passable Erträge 2024 nicht aus. Aber den Aufschwung sehen wir eher bei den Sektoren, die im vergangenen Jahr vernachlässigt wurden.

Welche wären das?

Die Kurse der Small und Mid Caps waren in den USA zwischenzeitlich rund 30 % von ihren Höchstständen entfernt. Hier gibt es viel Potenzial für eine Erholung. Da wir nicht davon ausgehen, dass es zu einer scharfen Rezession kommt, sind auch zyklische Branchen wie die Industrie allgemein sowie der Automobil- oder Finanzsektor aussichtsreich. Banken etwa können im Umfeld höherer Zinsen besser verdienen. Insgesamt haben vor allem Substanz- und Dividendenwerte Aufholpotenzial.

Wie sehen Sie die Aussichten für Europa und Deutschland?

Der STOXX 600 hat 2023 mit gut 10 % Zuwachs etwas schwächer abgeschnitten als der S&P-500-Index. Das könnte sich im kommenden Jahr angleichen. Für die europäischen Unternehmen sprechen die niedrigere Bewertung und die geringere Abhängigkeit von der Tech-Branche. In Deutschland muss man differenzieren: Die Konjunkturaussichten sind mau. Der Sparzwang nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfte dafür sorgen, dass Deutschland im Jahr 2024 nicht gerade zu den Wachstumslokomotiven in Europa gehören wird. Aber das muss sich nicht negativ auf den Deutschen Aktienindex auswirken. Denn mit dem DAX kauft man vor allem die globale Wirtschaft. Und die dürfte 2024 wieder besser abschneiden als die deutsche beziehungsweise europäische Wirtschaft.

Welches Land der Wachstumsregion Asien ist im kommenden Jahr für Anleger am spannendsten?

Japan. Zwar hat der Nikkei-Index bereits im Jahr 2023 fast 30 % zugelegt, aber die Bewertungen sind weiterhin moderat. Wegen des Arbeitskräftemangels durch die starke Überalterung der japanischen Bevölkerung investieren die Unternehmen in Produktivitätssteigerungen. Zudem fordert die reformorientierte Regierung die Unternehmen zu mehr Transparenz in den Bilanzen auf. Das ist insgesamt ein grundsätzlich positives Umfeld für Aktieninvestitionen.

Und wie wird sich China entwickeln?

Der chinesische Aktienmarkt ist ebenfalls günstig bewertet. Aber in China wird die Immobilienkrise nicht von heute auf morgen beendet sein. Es ist fraglich, ob die Stützungsmaßnahmen der Regierung für den heimischen Aktienmarkt ausreichen. Asiatische Nachbarländer wie Indonesien, Vietnam oder die Philippinen könnten davon mehr profitieren. Auch das rohstoffreiche Lateinamerika könnte positiv überraschen. Die zunehmende ökonomische Bedeutung der Emerging Markets schlägt sich bisher nicht in Performance im MSCI Emerging Markets Index nieder. Das liegt vor allem an der hohen Gewichtung von chinesischen Werten.

Sie hatten eben Small und Mid Caps angesprochen. Von 2000 bis 2020 waren die klein- und mittelständischen Unternehmen an den Börsen stärker als Large Caps. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat der Trend gedreht. Kann sich das 2024 wieder ändern?

Ich gehe davon aus, dass die Small und Mid Caps nicht mehr so vernachlässigt werden wie in den Jahren 2022 und 2023. Grundsätzlich sind die kleineren Unternehmen agiler und wachstumsstärker als die großen und entsprechend sind ihre aktuellen Bewertungen attraktiv. Sie sind aber auch in anfälligen Nischen unterwegs und abhängiger vom Zinsniveau. Der Performance-Abstand zwischen den Unternehmensgrößenklassen dürfte sich 2024 nivellieren. Eine echte Trendumkehr sehe ich noch nicht.

Es gibt wieder Zinsen. Welche Segmente sind für Sie im Anleihesektor besonders interessant?

Attraktiver als in Nullzinszeiten ist das gesamte Anleihesegment allemal. Aber mit Staatspapieren sind weiterhin kaum reale Renditen zu erzielen. Französische zehnjährige Staatsanleihen bringen aktuell mit 3 % nicht mehr als die Inflation. Positiver sieht es bei Unternehmensanleihen aus. Gleichwohl halten wir die Chancen am Aktienmarkt insgesamt für besser als am Anleihenmarkt. Das schlägt sich auch in der Gewichtung bei unseren beiden Multi-Asset-Fonds nieder: Die Zielmarken für die Aktienanteile liegen bei 30 % und 50 %. Aktuell halten wir in den Fonds jedoch rund 40 % beziehungsweise rund 65 % Aktien.

Es zeichnet sich ab, dass die Notenbanken die Zügel wieder lockern. Wie schnell können die Leitzinsen fallen?

Ich bin da nicht so optimistisch wie die Finanzmärkte. Sie erwarten aktuell bis Ende 2024 eine Senkung der Leitzinsen in den USA um 100 Basispunkte auf 4,25 bis 4,5 % und in Europa um 80 Basispunkte auf 3,7 %. Dafür müsste aber die Inflation weiter signifikant sinken oder eine deutliche Rezession Einzug halten. Das erwarte ich eher nicht. Die Leitzinsen sehe ich eher stabil mit leichter mittelfristiger Tendenz nach unten.

Aktuell haben viele Anleger große Cash-Reserven auf Tages- und Festgeldkonten geparkt. Sollten sie 2024 wieder in die Märkte einsteigen?

Rund 3,5 % Zinsen auf sicheren Tages- und Festgeldkonten sind natürlich besser als nichts. Aber solch attraktive Zinsen gibt es für viele nur, wenn sie zum Kontowechsel bereit sind. Selbst dann kann man angesichts von einer aktuell 3,8-prozentigen Inflation und Steuern vom Zinsertrag nicht einmal das Vermögen real retten. Unternehmensanleihen und vor allem Aktien versprechen 2024 mehr Rendite, wenn man die Schwankungen aushalten kann.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 15.11.2023. Quelle: comdirect.de.

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