Zwei Personen, die im Apple Store auf der 3rd Street Promenade in Santa Monica stehen
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Interview Technologieaktien: „Der Digital-Trend ist unumkehrbar!“

Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen Schub versetzt. IT-Infrastruktur, Datenmanagement und Datensicherheit werden weiter an Bedeutung gewinnen.

Thomas Rappold

Thomas Rappold

Thomas Rappold ist Geschäftsführer des Tech-Portals silicon-valley.de und Autor des Buches „Silicon Valley Investing“.

comdirect: Herr Rappold, US-Technologie-Unternehmen gehören zu den Gewinnern der Corona-Krise. Anfang September aber ging der Technologieindex NASDAQ kräftig bergab. Ist das eine normale Korrektur oder sind das erste Anzeichen für eine bevorstehende Trendwende?

Thomas Rappold: Das war eine gesunde Korrektur! Und es hat mal wieder gezeigt: Die Börse ist keine Einbahnstraße, es wird immer Rücksetzer geben. Langfristig orientierte Anleger können solche Korrekturen für den Einstieg nutzen.

comdirect: Sie erwarten also, dass der Tech-Trend anhalten wird?

Thomas Rappold: Die Corona-Krise hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Mitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt, und das hat Unternehmen unter Druck gesetzt, in die digitale Infrastruktur zu investieren. Das Virus hat die Entwicklung also deutlich beschleunigt. Auch Mittelständler, die das Thema bisher verschlafen hatten, waren plötzlich gefordert. Das Internet ist zum Rückgrat der Wirtschaft geworden. Unternehmen, die keine Digitalstrategie haben, werden große Probleme bekommen.

comdirect: Amazon mit einem KGV von 100 – das erinnert an die Jahrtausendwende, bevor die Tech-Blase platzte. Gibt es Parallelen?

Thomas Rappold: Vom Muster her erinnert der Kursverlauf an die späten 1990er-Jahre, als viele Privatanleger allzu sorglos investiert haben. Diese Sorglosigkeit beobachte ich heute auch bei vielen Börsenneulingen, die Krisen wie das Platzen der Dotcom-Blase nicht miterlebt haben. Ich war damals mittendrin und habe meine Lektion gelernt. Auf der anderen Seite waren zur Jahrtausendwende auch Unternehmen ohne jede Gewinnaussicht hoch bewertet, während die großen Technologiewerte heute sehr gut aufgestellt sind und Umsatz und Gewinn steigern.

comdirect: Die Aktie des Cloud-basierten Datenspezialisten Snowflake (WKN A2QB38) hatte sich nach dem Börsengang im September noch am Ausgabetag verdoppelt, nach einem Tag wurde das Unternehmen an der Börse mit 70 Milliarden US-Dollar bewertet – bei einem Umsatz von 265 Millionen und einem Verlust von 349 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. Ist das nicht übertrieben?

Thomas Rappold: Geld fließt immer in die Anlageformen, die die höchsten Renditen versprechen. Zinsen scheiden als Anlagealternative auf absehbare Zeit aus, Investoren suchen vor allem nach Unternehmen mit hohem Umsatzwachstum. Das sind vor allem Technologieanbieter und insbesondere Plattformanbieter, weil die die höchsten Margen erwirtschaften. Snowflake ist noch weit von der Gewinnzone entfernt, aber das Unternehmen wächst in einem Segment, das zukünftig immer wichtiger wird. Denn in Unternehmen entstehen immer größere Datenmengen, die abgelegt und ausgewertet werden müssen. Dennoch ist die Bewertung ambitioniert – möglich, dass viel zu viel Euphorie eingepreist ist und es zu Rückschlägen kommt.

comdirect: Wie schätzen Sie die hohen Bewertungen generell ein?

Thomas Rappold: Im aktuellen Minizins-Umfeld werden wir uns an höhere Bewertungen gewöhnen müssen. Nichtsdestotrotz muss ich mir als Investor jedes Unternehmen genau angucken. Stimmt das Geschäftsmodell? Generiert es Wachstum? Stimmt der Preis? Ist es schuldenfrei oder dabei, die Schulden zu reduzieren? Eine wichtige Kennzahl ist das Verhältnis vom Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zum Wachstum. Ein KGV von 35 halte ich für günstig, wenn das Unternehmen um 50 % wächst.

comdirect: Ziehen Sie die Tech-Riesen oder kleinere Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe vor?

Thomas Rappold: Die Börse ist auch für Tech-Unternehmen keine Einbahnstraße, das haben Anleger erst Anfang September gemerkt. Die großen Technologieanbieter profitieren von einem tiefen Burggraben, wie Warren Buffett es nennt: Es gibt – zumindest im Westen – nur eine Suchmaschine, einen E-Commerce-Anbieter, ein soziales Netzwerk oder einen Systemanbieter. In Asien gibt es entsprechende Pendants wie Alibaba (WKN A117ME) oder Tencent (WKN A1138D), die den Markt dominieren. Allein aufgrund der Marktstellung kommt man kaum an den großen Anbietern vorbei. Zudem verfügen Unternehmen wie Alphabet (WKN A14Y6F) oder Apple (WKN 865985) über Cash-Reserven in dreistelliger Milliardenhöhe. Damit können sie Innovationen vorantreiben oder strategisch wichtige Übernahmen stemmen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch sehr viele Unternehmen, die günstig bewertet sind und über hohes Wachstumspotenzial verfügen – auch wenn sie weniger Glamour versprühen.

„Ob Industrie 4.0, Robotik, künstliche Intelligenz, Cloud Computing: Die Vernetzung von Mensch und Maschine ist in vollem Gange.“

Thomas Rappold

comdirect: Dominieren die Tech-Giganten beim Thema Cloud?

Thomas Rappold: Tatsächlich denken viele Anleger beim Thema Cloud immer nur an die alten Bekannten, sprich Amazon (WKN 906866), Alphabet und Microsoft (WKN 870747), aber es braucht auch Spezialisten, die die Cloud ausfüllen. Das sind die „Builder“ dieser Infrastruktur. Dazu gehören beispielsweise der Spezialist für Cloud-Netzwerkinfrastruktur Arista (WKN A11099) oder Nutanix (WKN A2ACQE), ein Anbieter von Hard- und Software für Datencenter-Lösungen. Oder auch DocuSign (WKN A2JHLZ) oder Box (WKN A110YG), Spezialisten für digitale Signaturen und Unterschriftenmanagement bzw. Dokumentenmanagement in der Cloud.

comdirect: Inwiefern können diese Unternehmen in der aktuellen Lage profitieren?

Thomas Rappold: Covid-19 passt beispielsweise perfekt zum Geschäftsmodell von Box: Das Unternehmen ist bereits bei den meisten S&P-500-Unternehmen vertreten und kann ihnen nun weitere Lizenzen und weitere Produkte verkaufen. Im Prinzip geht das nun viral, ähnlich wie bei Facebook. Wenn also immer mehr Projektbeteiligte im Unternehmen digital zusammenarbeiten, zieht ein Box-Projektmitglied weitere neue an. Sprich, er „lädt“ sie quasi zur Box-Projektgruppe, und so übernehmen interne Mitarbeiter in Unternehmen nun die Werbung und den Vertrieb für Box. Im Shutdown haben auch Videokonferenz-Anbieter wie Zoom (WKN A2PGJ2) oder Microsoft mit Teams viele neue Kunden gewonnen. Datensicherheit ist ebenfalls Wachstumsfeld in der digitalen Welt. Der US-Anbieter Okta (WKN A2DNKR) etwa bietet Identitäts- und Zugriffsmanagement, ein Bereich, der in der digitalen Welt an Bedeutung gewinnt.

comdirect: Die Corona-Krise hat Unternehmen und Mitarbeiter zu einer Digitalisierungsoffensive gezwungen. Wurde das Geschäft dadurch vorweggenommen? Oder anders gefragt: Gibt es Rücksetzer, sobald die Gefahr durch das Virus überwunden ist?

Thomas Rappold: Der Trend ist unumkehrbar. Ob Industrie 4.0, Robotik, künstliche Intelligenz, Cloud Computing: Die Vernetzung von Mensch und Maschine ist in vollem Gange. Durch die Corona-Krise haben Unternehmen und Mitarbeiter gemerkt, dass man von jedem Ort aus arbeiten kann, wenn die IT-Infrastruktur stimmt. Inzwischen wird vonseiten der Politik ja sogar ein Recht auf das Arbeiten im Homeoffice erwogen. Remote Work – also das Arbeiten von einem beliebigen Ort – spart Zeit, Kosten und schont die Umwelt: Große Büros und teure Fahrten zu Meetings sind überflüssig geworden. Unternehmen wie Allianz (WKN 840400), Deutsche Bank (WKN 514000) oder Microsoft haben so gute Erfahrungen gemacht, dass sie den Mitarbeitern das Arbeiten im Homeoffice langfristig ermöglichen wollen.

comdirect: Welchen Rat können Sie Anlegern geben?

Thomas Rappold: Auf eine kontrollierte Offensive setzen! Das heißt: Nicht nur auf die teuren Glamour-Aktien setzen, sondern auch in vermeintliche Langweiler investieren, die vernünftig bewertet sind, Kurspotenzial und Dividenden bieten. Dazu zählen beispielsweise aktuell auch Unternehmen wie Fresenius Medical Care (WKN 578580) oder SAP (WKN 716460).

Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste bis zum Totalverlust möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich Ihre selbstständige Anlageentscheidung erleichtern und ersetzt keine anleger- und anlagegerechte Beratung. Bei den hier dargestellten Informationen und Wertungen handelt es sich um eine Werbemitteilung, die nicht den gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit einer Anlageempfehlung oder Anlagestrategieempfehlung genügt. Die Darstellung gibt nicht die Meinung von comdirect wieder. Darüber hinaus unterliegen die dargestellten Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente keinem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Anlage- oder Anlagestrategieempfehlungen. Stand: 20.10.2020; Quelle: comdirect.de.

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