Fondsmanager Matthias Born über die Aussichten für Konjunktur und Börse im Jahr 2021, wie es mit Wachstumsaktien weitergeht und welche Weltregionen im Fokus stehen.
Matthias Born
Matthias Born gehört zu den profiliertesten deutschen Fondsmanagern. Er ist seit 2017 Chief Investment Officer Aktien und seit 2019 Head of Investments bei der Berenberg Bank. Zuvor war er bei Allianz Global Investors für europäische Fonds zuständig.
comdirect: Das Jahr 2020 hat Anleger viele Nerven gekostet. Hat Sie der starke Jahresausklang mit All-Time-Highs in zahlreichen Märkten überrascht?
Matthias Born: Ja, das Ausmaß der Erholung war in der Tat etwas überraschend. Wir haben zwar nach dem vehementen Einbruch im Frühjahr mit einer deutlichen Erholung im Jahresverlauf gerechnet. Wir wussten aber nicht, wie schnell und massiv die Erholung sein würde. Dass viele Aktienmärkte sogar mitten in der gravierenden zweiten Corona-Welle im November neue Allzeithochs aufstellen würden, konnte kaum erwartet werden. Für den letzten Schub haben dabei sicherlich zuletzt auch die positiven Ergebnisse bei der Impfstoffentwicklung gesorgt.
comdirect: Zwischenzeitlich konnte man den Eindruck gewinnen, die Märkte suchten förmlich nach Gründen für weitere Anstiege …
Born: Dieser Eindruck ist nicht falsch. Das hat sich bei den US-Wahlen gezeigt – wobei das abschließende Ergebnis mit einem Präsidenten Biden und einem gespaltenen Kongress aus Sicht der Börsianer wirklich eine gute Lösung ist. Aber auch Wahlausgänge, die Börsianern nicht schmecken, sind oft besser als Unsicherheit. Nehmen Sie 2016 mit der Brexit-Entscheidung: Vor dem Wahlgang wackelten die Märkte – hinterher konnten sie gut mit der ökonomisch sicher nicht positiven Entscheidung pro Brexit leben.
comdirect: Haben die Aktienmärkte in den zurückliegenden Monaten nicht schon zu viel Erholung vorweggenommen? Kann es in diesem Rhythmus 2021 weitergehen?
Born: Die Börsen nehmen häufig die tatsächlichen Entwicklungen vorweg. Das hat sich im bisherigen Verlauf der Corona-Krise exemplarisch gezeigt. Schon im Februar begannen die Kurse zu sinken. Just als in Deutschland im März der erste Lockdown in Kraft trat, drehte der DAX wieder nach oben. Die Börsen haben jetzt bereits eine Eindämmung der Pandemie und einen weltweiten Wirtschaftsaufschwung zu einem guten Teil eingepreist. Mittelfristig entscheiden die Gewinnentwicklung der Unternehmen und die Attraktivität der Anlagealternativen, ob das Ausmaß gerechtfertigt war.
comdirect: Welche Faktoren stimmen Sie für 2021 optimistisch: Die Wahl von Joe Biden, stimulierende Notenbanken und Fiskalpolitiker oder die Wende zum Positiven bei Corona?
Born: An Corona hängt fast alles. Die Entwicklung der Pandemie wird das Wachstumstempo bestimmen: Wie entwickeln sich die Fallzahlen? Wie schnell können wir impfen? Wann können wir die Wirtschaft komplett öffnen? Die Antworten auf diese Fragen bestimmen, wie stark die Wirtschaft insgesamt und die Unternehmensgewinne wachsen können. Fortschritte wirken sich vor allem auf die zyklischeren Sektoren positiv aus. Dass die Corona-Entwicklung der entscheidende Treiber ist, sieht man jetzt schon in China. Biden und seine Politik werden dagegen nicht so eine große Rolle spielen. Die Märkte erwarten keine Wunder, aber sie erwarten, dass er berechenbarer und in der Handelspolitik moderater sein wird als sein Vorgänger. Diese Hoffnung wird er nicht enttäuschen.
comdirect: Woran kann der positive Trend scheitern?
Born: Auch hier lautet die Antwort: in erster Linie an Corona. Wir haben mit der Entwicklung zahlreicher Impfstoffe zwar Anlass zur Hoffnung. Wir wissen aber nicht, wie viele Menschen sich wirklich impfen lassen werden. Auch Nebenwirkungen von Impfungen könnten auftreten. Insgesamt bin ich jedoch optimistisch, dass die Mischung aus Impfungen, Immunität und verfeinerten Strategien im nächsten Jahr Wirkung zeigen wird und die Wirtschaft den Wachstumspfad wieder aufnimmt. Dass die Unterstützung der Notenbanken und Fiskalpolitiker 2021 abrupt eingestellt wird, ist zwar eine theoretisch denkbare Gefahr für die Finanzmärkte. Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich.
comdirect: Früher haben Anleger, die nicht in Aktien investieren wollten, Bundesschatzbriefe gekauft. Die gibt es nicht mehr. Was können Anleger heute alternativ machen?
Born: Jede Anlageform hat ihre Vor- und Nachteile: Staatsanleihen bester Bonität zum Beispiel können in Krisensituation wie im Februar/März Stabilität ins Depot bringen. Aber über längere Zeiträume dürfen Anleger nach Abzug der Inflation keine Renditen erwarten. Man kann Anleihen geringerer Bonität kaufen, aber das erhöht das Risiko. Gold kann als alternative Anlage eine Rolle spielen. Immobilien sind nicht ohne Risiken, Einzelhandels- und Büroimmobilien stehen vor strukturellen Problemen. Der stationäre Einzelhandel verliert Marktanteile an die Online-Händler. Unternehmen setzen zunehmend auf Homeoffice und damit sinkt der Bürobedarf.
comdirect: Im Jahr 2020 haben vor allem Hightech-Werte die Indizes nach oben gezogen. Im November lagen auf einmal Banken und Versorger vorn. Gibt es jetzt einen Favoritenwechsel?
Born: Extreme Unterperformer erleben häufig eine Erholungsrally. So ist es im November bei Banken und Energiewerten passiert, die zuvor am stärksten eingebrochen waren. Das heißt aber nicht, dass es einen strukturellen Wandel gibt. Die Banken haben mit Fintechs und niedrigen Zinsen zu kämpfen. Die Ölfirmen mit sinkenden Preisen und der Klimawende. Sie werden sich wieder in ihren langfristigen Trendkanal einpendeln. Die Kurse der großen Energiekonzerne und Banken stagnieren in Europa seit der Jahrtausendwende. Auch die Autobranche bleibt unter Druck. Sie muss viel investieren – zulasten der Gewinne.
comdirect: Also bleibt Ihr Fokus trotz der Kursrally seit Mai auf Wachstumswerten?
Born: Es gibt Wachstumswerte, deren Kurse zuletzt etwas überschossen haben. Aber langfristig sollte man bei Firmen bleiben, von denen man strukturell überzeugt ist. Es gibt Gewinner des Klimawandels, der Digitalisierung, der Gesundheitsvorsorge. Die haben von Corona zum Teil überdurchschnittlich profitiert. Vermutlich wird der Anteil des Onlinehandels weiter zunehmen und für Medizintechnik dürfte zunehmend Geld ausgegeben werden.
comdirect: Welche Anlageregionen sind für Sie 2021 die interessantesten?
Born: Es gibt für die drei Anlageregionen USA, Europa, Asien/China Investitionsgründe. Die amerikanischen Unternehmen sind im Hightech-Sektor führend und haben die global stärksten Marken. Das wird voraussichtlich so bleiben. Zudem sind etwa Apple, Facebook und Google/Alphabet trotz der Kurssteigerungen mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von 20 bis 30 für Wachstumswerte gar nicht so hoch bewertet. China und auch die asiatischen Nachbarländer sind bislang gut durch die Corona-Krise gekommen und aktuell auf Wachstumskurs. Zudem gibt die neue Freihandelszone zusätzlichen Schwung.
comdirect: Mit solchen Vorzügen kann Europa kaum dienen...
Born: Die jüngste Rally bei Zyklikern hat dem deutschen und europäischen Markt schon mal geholfen. Insgesamt muss man aber als Anleger auf unserem Kontinent selektiver vorgehen. Viele große Unternehmen aus Traditionsbranchen haben eben nicht das Wachstum der amerikanischen Hightechs. Dafür ist aber der Small- und Midcap-Sektor mit vielen starken Unternehmen in Europa wichtiger. In großen Indizes wie dem Euro STOXX 50 bekommen global orientierte Unternehmen aus der Technologie-, Luxus- und Gesundheitsbranche zunehmend Gewicht. Sie profitieren von einer Erholung der Weltwirtschaft – denn der entscheidende Treiber für Aktien wie Kering oder LVMH ist der chinesische Konsument. Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung weltweit allerdings ist der weitere Verlauf der Pandemie.
Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste bis zum Totalverlust möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich Ihre selbstständige Anlageentscheidung erleichtern und ersetzt keine anleger- und anlagegerechte Beratung. Bei den hier dargestellten Informationen und Wertungen handelt es sich um eine Werbemitteilung, die nicht den gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit einer Anlageempfehlung oder Anlagestrategieempfehlung genügt. Die Darstellung gibt nicht die Meinung von comdirect wieder. Darüber hinaus unterliegen die dargestellten Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente keinem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Anlage- oder Anlagestrategieempfehlungen. Stand: 15.12.2020; Quelle: comdirect.de.