Dr. Hendrik Leber arbeitete nach BWL-Studium und der Promotion im Fach Bankwirtschaft zunächst als Berater bei McKinsey, wechselte dann zum Bankhaus Metzl
Dr. Hendrik Leber arbeitete nach BWL-Studium und der Promotion im Fach Bankwirtschaft zunächst als Berater bei McKinsey, wechselte dann zum Bankhaus Metzl
© Andreas Reeg

Interview: „Die Leichtfertigkeit ist unfassbar“

Da braut sich etwas zusammen, meint Acatis-Chef Dr. Hendrik Leber. Warum er gerade deshalb auf Aktien setzt, erklärt er im Interview.

comdirect: Dr. Leber, manch einer Ihrer Kollegen bezweifelt, dass wir eine Herbstrally sehen werden. Steht uns ein heißer Herbst bevor?
Hendrik Leber: Das ist durchaus möglich, wobei ich davon ausgehe, dass es erst im Frühjahr 2019 so richtig turbulent werden wird. Aktuell ist die Wirtschaft in guter Verfassung, die Konjunktur-Indikatoren sind gut…

comdirect: Warum sind Sie denn dann so pessimistisch?
Hendrik Leber: Das politische Umfeld bereitet mir Sorgen. Handelskrieg, Brexit – seit geraumer Zeit ziehen dunkle Wolken auf. Wir ignorieren das und vertrauen darauf, dass sich die Probleme schon irgendwie lösen werden. Die Leichtfertigkeit ist unfassbar. Irgendwann werden wir vor einer dunklen Wolkenwand stehen und dann bricht Panik aus.

comdirect: Aus der besten aller Welten in die Panik? Warum sollte die Stimmung im Frühjahr kippen?
Hendrik Leber: Donald Trump wird wohl schon vorher für Turbulenzen sorgen. Er nimmt eine Eskalation des Handelskrieges in Kauf, und Zölle sind Gift für die Weltwirtschaft. Viel gravierender aber scheint mir die Bedrohung durch den Brexit. Die Zeit für die Verhandlungen läuft im März aus. Dann verlassen die Briten die EU – so oder so. Je dichter der Termin rückt, desto klarer zeigt sich, dass es keinen guten Deal geben wird. Die britische Wirtschaft wird das teuer bezahlen müssen, aber nicht nur die! Unternehmen wie Airbus, Ford, BMW müssen mit Einbußen rechnen, die Lieferketten werden durchbrochen und keiner weiß, wie das dann funktionieren soll. Die Folgen werden wir alle zu spüren bekommen.

comdirect: Der Brexit schadet der Wirtschaft stärker als ein Handelskrieg?
Hendrik Leber: Die US-Politik kann in wenigen Tagen korrigiert werden, wenn Donald Trump die Unterstützung verliert. Bereits bei den Midterm Elections am 6. November, hat er die Mehrheit im Repräsentantenhaus eingebüßt. Ganz unabhängig davon gebe ich ihm keine große Zukunft. Wichtige Geldgeber ziehen sich bereits zurück. Zudem wird US-Sonderermittler Robert Mueller US-Präsident Trump in der Russland-Affäre auseinandernehmen. Ich bin überzeugt, dass wir ein Amtsenthebungsverfahren erleben werden. Die Frage ist nur: Wie lange wird das dauern, und welchen Schaden kann Trump bis dahin noch anrichten? Anders sieht es beim Brexit aus. Der Schaden ist langfristig und unumkehrbar.

comdirect: Klingt beunruhigend. Heißt das: „Raus aus Aktien“?
Hendrik Leber: Auf keinen Fall! „Raus aus Rentenpapieren“, würde ich sagen. Wir haben bei Anleihen einen Bereinigungszyklus ausgelassen – durch den Niedrigzins sind kaum Unternehmen pleitegegangen. Ziehen die Zinsen wieder an, könnte es für manch einen Schuldner eng werden. Die Frage ist dann, wer in der Lage sein wird, seine Schulden zurückzuzahlen. Am Aktienmarkt dagegen rechne ich in den kommenden Jahren mit einer durchschnittlichen Rendite zwischen 6 und 7 %. Natürlich wird es Rückschläge geben, aber die Ertragskraft der Unternehmen ist intakt.

comdirect: Worauf sollten Investoren in diesem Umfeld achten?
Hendrik Leber: Die Welt verändert sich rasant, ein wesentlicher Unterschied zu früher ist der Zeithorizont. Ich kann als Investor nicht mehr sagen, ein Versorger wird über 50 Jahre stabile Erträge bringen. Vielmehr müssen wir heute auf die Unternehmen setzen, die in ein paar Jahren dominant sein werden. Um ein Beispiel zu nennen: In zehn Jahren wird es garantiert deutlich mehr Roboter geben als heute. Aber wird es auch mehr Verbrennungsmotoren geben? Wahrscheinlich nicht. In den aktuell günstigen Kursen der Autobauer ist der Niedergang bereits eingepreist.

comdirect: Werden Sie eher in den USA oder in Europa fündig?
Hendrik Leber: Eine regionale Zuordnung machen wir nicht, eher selektieren sich die Märkte über Branchen. Robotik etwa finden wir überwiegend in Japan, Batterietechnik in Korea, Japan oder China. Pharma ist in der Schweiz gut aufgestellt und Internetwerte in den USA. In Deutschland gibt es quer durch alle Branchen gute Unternehmen, häufig kommen sie aus der zweiten Reihe.

comdirect: Welchen Tipp können Sie Anlegern geben?
Hendrik Leber: Jeder, der ein paar Jahre Zeit hat und erhebliche Kursschwankungen aushalten kann, sollte überwiegend in Aktien investieren – die haben in der Vergangenheit jede Regierung überstanden. Eine Absicherung des Depots kann auch nicht schaden, bei Stiftungsmandaten sichern wir die britische Wirtschaft und das Pfund konsequent ab. Andererseits haben wir die Erfahrung gemacht, dass Krisen meistens später kommen, als von Investoren gedacht.

Aktien unterliegen Kursschwankungen, damit sind Kursverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Die Beschreibung der Wertpapiere stellt keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar. Die Darstellung gibt nicht die Meinung von comdirect wieder. Sie dient ausschließlich der Information und stellt keine Anlageempfehlung dar. Stand: 07.11.2018.

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