Börsenaussichten – Blick aus einem Fenster auf Reisterrassen in Thailand
Börsenaussichten – Blick aus einem Fenster auf Reisterrassen in Thailand
© asiandelight via Adobe Stock

„KI und nahende Zinswende stützen die Börsen“

Key Takeaways
  • Mittelfristig kommt es bei Aktien vor allem auf eine günstige Bewertung an.
  • Vernachlässigte Regionen wie Japan haben Aufholpotenzial.
  • Spätestens 2024 dürfte die Fed die Leitzinsen wieder senken.
Portraitbild von Gerd Haecker, Gruender und geschaeftsfuehrender Gesellschafter der Muenchner Steinbeis & Haecker Vermoegensverwaltung GmbH
Portraitbild von Gerd Haecker, Gruender und geschaeftsfuehrender Gesellschafter der Muenchner Steinbeis & Haecker Vermoegensverwaltung GmbH
Gerd Häcker
Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Münchner Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH
Gerd Häcker hat mehr als 35 Jahre Erfahrung an den Kapitalmärkten. Nach neun Jahren als Leiter des Portfolio-/Fondsmanagements bei einer Münchner Vermögensverwaltung gründete er 2016 sein eigenes Unternehmen.

Herr Häcker, trotz weltweiter Rezessionstendenzen zeigen sich die internationalen Börsen vom Abschwung und den anhaltenden Zinserhöhungen wenig beeindruckt. Auch das häufig beobachtete Sommerloch hat es in diesem Jahr nicht gegeben. Hat Sie das überrascht?

Die Stabilität ist schon erstaunlich. Die Belastungen durch die Zinserhöhungen, die schwache Erholung in China und die anhaltend unsichere weltpolitische Lage haben sich bisher nicht in stärkeren Kursrückgängen niedergeschlagen. Das liegt zum einen daran, dass die befürchtete harte Rezession in den USA bisher ausgeblieben ist. Zudem schauen die Märkte traditionell nach vorn. Die Energiepreise haben sich stabilisiert, die Inflation geht zurück. Auch das Zinshoch dürfte erreicht sein. Und dazu kommt noch die „Sonderkonjunktur“ durch die Fantasie bei der künstlichen Intelligenz, die die Aktien der „Großen Sieben“ antreibt, also die Kurse von Amazon, Apple, Alphabet, Meta, Netflix, Tesla und vor allem Nvidia.

Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für einen weiter anhaltenden Börsenaufschwung?

Die Inflation hat bereits nachgegeben und spätestens 2024 dürfte die Fed die Leitzinsen wieder senken. Entscheidend wird sein, wie sich die vergangenen Zinsanhebungen mittelfristig in der Konjunktur niederschlagen. Bisher läuft die US-Wirtschaft noch unerwartet gut. Wenn dieser Trend anhält und die Unternehmensgewinne positiv überraschen, sind auch neue Rekordhöhen in den US-Indizes und im DAX möglich. Hinzu kommt, dass viele professionelle Anleger aktuell noch short positioniert sind. Wenn sie ihre Absicherungen auflösen müssten, bekäme der Markt einen neuen Schub.

Welche Segmente halten Sie aktuell für besonders aussichtsreich?

Die großen Sieben der Technologiebranche laufen noch. Themen wie die künstliche Intelligenz werden weiter gehypt. Die jüngsten Quartalsdaten waren überzeugend. Allerdings sollten Anleger die Entwicklung genauestens beobachten. Denn aktuell spiegeln die Bewertungen einen großen Optimismus wider. Es ist kaum zu erwarten, dass das dauerhaft der Fall sein wird. Wenn das Wachstum bei den Technologie-Champions nachlässt, ist die aktuelle Bewertung zu hoch.

Was würde das bedeuten?

Eine deutliche Korrektur wäre zu erwarten: Wir haben es etwa bei Microsoft gesehen. Microsoft war um die Jahrtausendwende das teuerste Unternehmen der Welt und wurde mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 40 bewertet. Dann stürzte die Aktie beim Platzen der Dotcom-Blase mit ab, obwohl Microsoft ein Top-Unternehmen war. Anschließend dauert es trotz stetig steigender Unternehmensgewinne fast 15 Jahre, bis die Aktie wieder ihren alten Höchstwert erreichte und zu einem neuen Höhenflug startete. Bei den Top-Werten der Technologiebranche sind ähnliche Korrekturen möglich, viele kleinere Hightechs werden erst gar nicht den Durchbruch schaffen.

Also gilt die Weisheit „The trend is your friend“ Ihrer Meinung nach nicht?

Ein Trend hält so lange, bis er bricht. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Gewinner eines Jahrzehnts im folgenden Jahrzehnt meist entzaubert werden. So wie Gold nach den 1970ern, japanische Aktien nach den 1980ern, Hightech-Werte nach den 1990er- und Brics nach den 2000er-Jahren. Nach dem Gesetz der Serie müsste es jetzt wieder für Technologieaktien schwer werden. Die Bewertungen sind hoch und wir erwarten in den kommenden Jahren schwierige Märkte.

Mit welchen Aktien können Anleger in schwierigen Märkten bestehen?

Bei niedrig bewerteten Unternehmen ist die Korrekturgefahr deutlich geringer. Solide Dividendenrenditen sichern Investments zusätzlich ab. In aktuell eher unpopulären Segmenten sind die Bewertungen teilweise noch sehr günstig. Das gilt etwa für die Pharmabranche und bei einigen Aktien aus der Biotechnologie. Selbst in der Luxusbranche finden sich attraktiv gepreiste Aktien, Swatch mit seinem Sortiment an Luxusmarken etwa notiert aktuell bei einem KGV von zwölf. Auch ausgewählte Immobilienaktien, die die aktuell schwierige Lage überstehen, haben Aufwärtspotenzial. Zudem gibt es abseits der USA einige Weltregionen, die bei den Anlegern aus dem Blickfeld geraten sind.

Woran denken Sie?

Die Brics-Staaten und die anderen Emerging Markets etwa sind in den vergangenen zehn Jahren massiv zurückgeblieben. Dafür gibt es im Fall von China und Russland natürlich auch politische Gründe. Aber Indien etwa bietet ein höheres Wachstum als die entwickelte Welt. Südafrika und Brasilien sind als Rohstoffnationen interessant. Fast gänzlich in Vergessenheit geraten ist Japan. Die Bewertungen an der Tokioter Börse sind niedrig und die Cash-Reserven der Unternehmen aus der zweiten oder dritten Reihe enorm. Für Value-Investoren ist Japan aktuell ein spannendes Thema.

Es gibt wieder Zinsen. Sind Staatsanleihen und Unternehmensanleihen zunehmend interessant für Sie?

2022 gab es durch den rasanten Zinsanstieg große Verluste am Rentenmarkt. Jetzt sind die Zinsen auf einem attraktiven Niveau. Zuletzt haben die zehnjährigen US-Anleihen ein Rekordhoch erreicht. Sie bringen aktuell weit über 4 % Rendite pro Jahr, auch in Europa gibt es vor allem bei kürzeren Anlagen wieder ordentliche Renditen. Bei sinkenden Leitzinsen im Jahr 2024 und zurückgehender Inflation können Zinspapiere in ein oder zwei Jahren möglicherweise mit einem guten Gewinn verkauft werden. Allerdings sollte man bei Rentenpapieren in der aktuellen Lage nicht zu gierig werden. Eine hervorragende Bonität der Schuldner ist wichtiger als das letzte Zehntel Rendite.

Warum?

Aktien sorgen in gemischten Depots für Rendite, Rentenpapiere sollen vor allem Stabilität geben. Nur die besten Bonitäten wie amerikanische oder deutsche Staatsanleihen aber liefern uns die nötige Sicherheit, wenn es in den nächsten Jahren an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft schwieriger werden sollte. Hochzins-Anleihen von Unternehmen korrelieren eher mit ihren Aktienkursen, viele Staaten befinden sich in der Schuldenfalle. Zudem sind die Zinsdifferenzen zwischen Anleihen bester Bonität und schwächeren Emittenten zurzeit gering. Es macht daher wenig Sinn, auf bonitätsschwache Staaten oder Unternehmen zu setzen. Denn die geraten in der Krise schnell unter Druck.

Wie sollten sich Anleger jetzt insgesamt aufstellen?

Ein aktives Management der Anlagen wird zunehmend wichtiger. Die 2020er-Jahre haben mit Corona und Krieg in der Ukraine schwierig angefangen. Und das dürfte sich fortsetzen. Daher sollte das Depot möglichst breit aufgestellt sein. 5 bis 10 % Gold sind bei volatilen Märkten eine Art Versicherung. Neben Gold haben sich in inflationären Zeiten wie in den 1970er-Jahren auch Rohstoffe bewährt. Aktuell sind sie wegen der rezessiven Tendenzen wenig gefragt. Aber wenn die Wirtschaft anspringt, könnte sich ein Blick auf Rohstoffaktien lohnen. Die Unternehmen des Sektors haben sich in den vergangenen Jahren massiv entschuldet und sind sehr günstig bewertet.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 18.09.2023. Quelle: comdirect.de.

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