Deutsche Nebenwerte wachsen schnell und liefern langfristig überzeugende Renditen. Warum das so ist, erklärt Small-Cap-Experte Björn Glück.
comdirect: Deutschland gilt als Land der „Hidden Champions“. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?
Björn Glück
ist einer der profiliertesten deutschen Fondsmanager im Small- und Mid-Cap-Sektor und ist seit 13 Jahren hauptverantwortlicher Portfolio-Manager für deutsche Nebenwerte. Bei der Frankfurter Investmentboutique Lupus alpha verantwortet er mit Peter Conzatti den vielfach preisgekrönten Investmentfonds Lupus alpha Smaller German Champions.
Björn Glück: Wir haben in Deutschland einen Mittelstand, den es so auf der Welt nicht nochmals gibt. Das sind etwas kleinere Unternehmen, die in ihrer Nische eine führende Position auf dem Weltmarkt haben. Sie sind „Hidden“, weil sie in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt sind. Und sie sind „Champions“, weil sie Weltmarktführer sind. Davon gibt es in Deutschland glücklicherweise sehr viele, und ihre Kraft prägt unsere Wirtschaftsstruktur seit Jahrzehnten.
comdirect: Gibt es regionale Schwerpunkte?
Björn Glück: Die Schwäbische Alb steht für Maschinenbau und Autozulieferung. Finanzdienstleistungen sind in den Großstädten wie Frankfurt, München, Köln angesiedelt. Der Norden ist stark vom Handel geprägt – Hamburg etwa mit Hapag Lloyd. Die Chemie ist eher am Rhein zu finden. Insgesamt ist der Mittelstand in Westdeutschland sehr gut verteilt. Im Osten sind jedoch aufgrund der DDR-Vergangenheit viele mittelständische Wurzeln gekappt worden.
comdirect: Können deutsche Small und Mid Caps auch in neuen Branchen wie Software und Biotech mithalten?
Björn Glück: Der Biotech-Sektor liegt hierzulande weit hinter den USA. Das liegt am innovationsfreundlichen Kapitalmarkt in den USA. Dort können sich Forscher mit einer guten Idee am Kapitalmarkt schnell mal 100 Millionen US-Dollar holen. Bei uns dagegen haben Biotech-Tüftler weniger gute Bedingungen. Im Bereich Software sieht es etwas besser aus. Auch hier zieht es zwar die klügsten Köpfe eher in die USA als nach Paris oder Frankfurt. Dennoch gibt es in Deutschland neben SAP einige kleinere Softwareperlen wie die Software AG aus dem MDAX oder Nemetschek und Atoss aus München. Zudem entwickelt sich Berlin zum Hotspot der Gründerszene.
comdirect: Das Zukunftsthema schlechthin: Industrie 4.0. Ist Deutschland dabei?
Björn Glück: Bei Industrie 4.0 sieht es ganz anders aus als in der Biotechnologie. Hier ist Deutschland stark. Wir haben beste Voraussetzungen, weil in der Industrie 4.0 Prozesse und Software digitalisiert und vernetzt werden. Die Gestaltung von Prozessen ist eine Stärke unserer von Maschinenbau und Elektronik geprägten Nation. Da mache ich mir große Hoffnungen. Siemens ist hier als großer Player gut aufgestellt. Aber auch Mittelständler wie Dürr und Kuka aus dem MDAX gehören zu den technologisch führenden Unternehmen. Automobilzulieferer wie ZF und Bosch spielen ebenfalls eine gute Rolle.
comdirect: Warum lohnt es sich, in börsennotierte Hidden Champions zu investieren?
Björn Glück: Ich würde gerne in Bosch investieren, leider ist das Unternehmen nicht an der Börse notiert. Aber es bleiben genügend tolle Auswahlmöglichkeiten. Das sind Unternehmen mit teilweise extrem langen Erfolgsgeschichten. Ich denke an Rational oder Fuchs Petrolub, United Internet oder auch den Getränkemaschinenhersteller Krones aus dem MDAX. Trotz beachtlicher Größe haben diese Unternehmen oft schlanke mittelständische Strukturen erhalten. Sie sind in Phasen konjunkturellen Abschwungs beweglicher als Großunternehmen.
comdirect: Ist die Expertise bei Small und Mid Caps besonders wichtig oder kann man getrost auf Indizes vertrauen?
Björn Glück: Wenige Analysten beschäftigen sich mit Aktien aus dem MDAX, beim SDAX ist die Analysten-Coverage noch dünner. Gerade in den Small- und Mid-Cap-Sektoren ist deshalb Expertise und stetige Beschäftigung mit den Aktien ausschlaggebend. Wir sind bei Lupus alpha auf diese Themen spezialisiert und besuchen auch kleinere Firmen regelmäßig. Ich selbst kümmere mich seit nunmehr 13 Jahren fast ausschließlich um deutsche Nebenwerte. Rechts und links der Indizes gibt es viele versteckte Perlen. Die Performance von guten Nebenwertefonds liegt deshalb über längere Zeiträume meist über der des MDAX oder SDAX.
comdirect: Worauf achten Sie bei der Auswahl der Titel für das Portfolio der Fonds?
Björn Glück: Eine starke Marktposition ist wichtig; am besten ein sogenannter wirtschaftlicher Burggraben, der vor Konkurrenz schützt. Hohe Margen erlauben auch einmal schwächere Phasen. Die Kennzahl Return on Capital Employed (ROCE) zeigt, wie profitabel ein Unternehmen mit dem eingesetzten Kapital wirtschaftet. Wenn diese Zahl konstant hoch ist und bleibt, wird der Aktienkurs sehr wahrscheinlich langfristig zulegen.
comdirect: Müssen die Unternehmen also schon seit geraumer Zeit schwarze Zahlen schreiben?
Björn Glück: Das ist wünschenswert, aber schwarze Zahlen sind nicht immer unbedingt nötig. In unserem Portfolio befindet sich etwa der Biotech-Hoffnungsträger Morphosys. Wie viele andere Biotech-Unternehmen ist auch Morphosys noch nicht in der Gewinnzone angekommen.
comdirect: Zur Jahrtausendwende notierte der MDAX deutlich unter dem DAX, heute steht er mehr als doppelt so hoch. Ist der Bewertungsunterschied gerechtfertigt?
Björn Glück: Damals wurde der DAX in der allgemeinen Hightech-Euphorie stark gehyped und war extrem hoch bewertet, Nebenwerte spielten kaum eine Rolle. Das hat sich geändert. Heute sind im DAX einige schwache Unternehmen, die für ein niedrigeres Durchschnitts-KGV sorgen. Solche Aktien findet man in MDAX und SDAX deutlich seltener. Zudem sind auch die Bewertungen in den Nebenwerteindizes heruntergekommen. Grund sind die politischen und makroökonomischen Unsicherheiten. Strukturell wachsende Growth-Unternehmen sind immer noch sehr hoch bewertet, aber kaum jemand investiert in Zykliker wie Chemie oder Automobilzulieferer. Da gibt es natürlich einige Firmen mit angeschlagener Bilanz – aber auch bestens aufgestellte Unternehmen, die Stock-Pickern mittelfristig große Chancen bieten.
comdirect: Ist nach 10 Jahren mit tendenziell steigenden Kursen gerade jetzt ein Einstieg an der Börse noch sinnvoll?
Björn Glück: Das makroökonomische Umfeld ist aktuell weltweit nicht rosig. Auch der chinesische Konsument wird jetzt nicht im zweiten Halbjahr 2019 massig Autos kaufen. Das ist für die gesamte deutsche Wirtschaft negativ. Aber viele gute Aktien sind jetzt auch schon so niedrig bewertet, dass ich kaum weiteres Abwärtspotenzial sehe. Grundsätzlich sollten Anleger immer am Produktivvermögen teilhaben – erst recht in Nullzinszeiten. Das geeignete Mittel für einen langsamen Einstieg sind Sparpläne.
comdirect: Gilt auch bei Sparplänen „Small is beautiful“?
Björn Glück: Davon bin ich überzeugt. Small und Mid Caps sind in Deutschland, aber auch in Europa auf längere Sicht attraktiver als Standardwerte. Der wichtigste Grund sind die höheren Wachstumsraten: Denn was noch verhältnismäßig klein ist, kann schneller wachsen.
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