- Unter Präsident Trump dürften die US-Unternehmensgewinne anziehen.
- Deutschland braucht strukturelle Wirtschaftsreformen und mehr Investitionen.
- Der Run auf Bitcoins und Gold könnte weiter anhalten.
2024 war ein Jahr mit extremen Herausforderungen: Nullwachstum, nur langsam sinkende Zinsen, anhaltende Kriege in der Ukraine und Palästina. Warum hat das die Aktienmärkte unbeeindruckt gelassen?
Im laufenden Jahr hat sich die alte Börsenweisheit bestätigt: Wo die Not am größten, da ist die Notenbank am nächsten. Die sinkende Inflation hat die Hoffnung auf die Zinswende genährt und ab dem Sommer haben die Notenbanken geliefert. Zugleich ist die US-Wirtschaft bemerkenswert stabil geblieben und die Aktienmärkte haben einen zusätzlichen Push durch die KI-Fantasie bekommen. Schließlich blieb trotz allen Schreckens in den Kriegen in der Ukraine und in Palästina eine massive weitere Eskalation aus.
Kann der Aufwärtstrend so weitergehen?
Durchaus. Für 2025 stehen die Zeichen gut. Die amerikanische Wirtschaft wird von den Steuererleichterungen durch Präsident Trump profitieren und zusätzlich durch – wenn auch weniger – Zinssenkungen angeschoben. Die Re-Industrialisierung der USA dürfte weiter anhalten. Und der Krieg in der Ukraine könnte mit einem schmutzigen Kompromiss zu Ende gehen. Mit einem merklichen Inflationsschub rechne ich erst mal nicht. Immerhin dürften die Energiepreise nach unten gehen. Denn unter Trump wird es heißen: Fracken bis zum Geht-nicht-mehr.
Haben Sie keine Sorge, dass Präsident Trump mit Zöllen und Wirtschaftskriegen das amerikanische und das globale Wachstum gefährdet?
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. „America first“ heißt für Trump, dass er Wohlstandsgewinne erzielen will. Zölle werden jetzt von ihm angedroht und für China auch sicherlich verschärft. Aber Trump weiß, dass eine zu harte Handelspolitik zu Inflation und Kaufkraftverlusten der Bevölkerung führen und zudem Gegensanktionen Amerikas Tech-Industrie schaden würden. Um Amerika-freundliches Verhalten einzufordern, reicht bei Deutschland oder Europa wohl schon die Androhung von Zöllen. Bereits jetzt investieren viele europäische Unternehmen in den USA, weil sie dort den besseren Standort sehen. Trump selbst möchte am liebsten VW, BMW und Mercedes zu amerikanischen Autoproduzenten machen. Seine wirtschaftspolitischen Ziele wird er vermutlich mit Deals am besten erreichen.
Wie wird es in Deutschland weitergehen? Welche Politik erwarten Sie nach der Wahl im Februar?
Überraschungen sind nicht auszuschließen. Aber nach jetzigem Stand wird es wohl auf eine Regierung unter Führung der CDU hinauslaufen: Große Koalition oder Schwarz-Grün. Harte Wirtschaftsreformen sind wegen der strukturellen Schwächen dringend erforderlich. Sie müssten mindestens das Ausmaß der Schröder’schen Reformen erreichen. Die Schuldenbremse sollte man meiner Meinung nach reformieren oder gleich ganz abschaffen. Allerdings müssten die zusätzlichen Mittel dann als „gute Schulden“ in Steuersenkungen, Bildung und Infrastruktur investiert werden.
Würden diese Maßnahmen den DAX beeinträchtigen? Oder wächst er unabhängig von der politischen Misere?
Der DAX ist zuletzt gut gelaufen, aber ohne Anrechnung der Dividenden doch deutlich schwächer als die US-Indizes. Dazu haben die zwischenzeitlich sehr hohen Energiepreise beigetragen, aber auch das politische Risiko durch unsere geografische Nähe zu Russland. Die deutschen Konzerne erwirtschaften allerdings einen überwiegenden Teil ihrer Umsätze im Ausland. Wenn die internationale Konjunktur anzieht, sind deutliche Gewinnzuwächse zu erwarten. Das gilt besonders für Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe in MDAX und SDAX, deren Kurse in den vergangenen Jahren hinter dem Gesamtmarkt zurückgeblieben sind.
In welchen internationalen Märkten sehen Sie die meiste Fantasie?
Das größte Potenzial sehe ich weiterhin in den USA. Dort ansässige Unternehmen steigern ihre Gewinne durch niedrigere Steuern. Insbesondere die Finanzwerte und die Small Caps dürften von den Maßnahmen des neuen Präsidenten profitieren. Das sollte sich auch in den Kursen niederschlagen. Der Nebenwerteindex Russell 2000 ist in den vergangenen Jahren deutlich hinter dem S&P 500 und dem NASDAQ 100 zurückgeblieben, die vor allem von den Magnificent Seven angetrieben wurden. 2025 erwarte ich einen Aufschwung auf viel breiterer Basis. Es gibt zwar Bedenken, dass die dramatische Verschuldung Amerikas aufgrund der Wirtschaftsförderung noch weiter zunimmt. Da diese Schulden jedoch den Standortqualitäten Amerikas zugutekommen, sind es gute Schulden.
Was erwarten Sie für Europa und China?
Die Konjunktur in der Eurozone wird von vielen strukturellen Baustellen gehemmt. Dazu kommen die möglichen Zölle. Immerhin wirkt die Zinsentspannung stabilisierend auf Konsum und Investitionen. Um Wirtschaftspotenziale zu heben, müssen Infrastruktur und Digitalisierung deutlich beherzter angepackt werden. Wenn Amerika den Wirtschaftskrieg mit der Bazooka führt, kann Europa mit Platzpatronen keine Schlacht gewinnen. Chinas Wachstum leidet unter dem Immobiliensektor. Um diese Krise und die voraussichtlichen Zölle auszugleichen, müsste China eine Konjunkturförderung von ähnlichem Maße auflegen wie der Westen nach der Finanzkrise 2008. Dies käme ebenso der weltkonjunkturellen Stabilisierung zugute.
Erwarten Sie für 2025 eine Sektorrotation? Oder geht es mit der Vorherrschaft der Technologiewerte weiter wie bisher?
Bei Technologiewerten sollte man als Anleger vor einem Neueinstieg vielleicht eine Korrektur abwarten. Die meisten der großen Player haben zwar eine intakte Wachstumsstory. Sie sind aber bereits hoch bewertet. Deshalb glaube ich, dass 2025 Substanzwerte den Bewertungsabstand zu den Highflyern verkürzen können. Auch die Unternehmen aus der fossilen Energiewirtschaft dürften von einem Präsidenten Trump profitieren.
Kryptowährungen und allen voran der Bitcoin starteten nach Trump durch. Knackt der Bitcoin dauerhaft die 100.000-Dollar-Marke?
Der Trend geht weiter. Die Bitcoin-Unternehmer haben Trump massiv unterstützt und erwarten Kompensation. Die Deregulierung des Handels mit Kryptowährungen, ETFs auf Bitcoin und auch andere Kryptos könnten auch Marktteilnehmer ins Segment locken, die bisher am Rande stehen. Zudem ist die zunehmende Akzeptanz von Kryptos auch eine strategische Frage. Wir alle und auch Donald Trump wissen: Die BRICs dieser Welt möchten gerne die Vorherschafft des US-Dollars brechen. Wenn die Welt dabei auf Kryptos setzt, ist es für die USA sehr sinnvoll, den Markt zu dominieren. Damit ist der Weg für weitere Bitcoin-Preissteigerungen geebnet.
Sind Bitcoins die neuen Gold-Unzen? Oder bleibt Gold weiterhin wichtig?
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Gold über die 3.000-Dollar-Marke steigt. Ich glaube: eher früher als später. Gold ist im Vergleich zu Geld kein beliebig vermehrbares Gut und unterliegt keinem Ausfallrisiko. Wenn alle Stricke reißen, kann man sich mit Gold immer noch alle lebensnotwendigen Güter kaufen. Versuchen Sie das dann einmal mit bunt bedruckten Scheinchen. Gold ist damit im absoluten Krisenfall das einzige echte „Geld“. Ein solches Szenario ist aktuell nicht zu befürchten. Aber es beruhigt, über diese ultimative Sicherheit verfügen zu können. Ein Goldanteil bis zu 10 % des liquiden Anlagevermögens ist sinnvoll.
Zuletzt lohnte sich Tagesgeld, weil die Inflationsrate nach langer Zeit mal wieder unter den Leitzinsen lag. Was sollen die Sparer tun, wenn sie bei sinkenden Zinsen mit ihren Anlagen real wieder Miese machen?
Die Inflation dürfte angesichts der schwächeren Erholung in Europa überschaubar bleiben. Sinken wird sie aber kaum. Insgesamt kann die Europäische Zentralbank die Zinsen weiter und schneller senken als die US-Fed. Die deutsche Kultur des bescheidenen Tages- und Festgeldsparens lohnt sich damit immer weniger. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, frei werdende Gelder langfristig über ETFs oder aktiv gemanagte Fonds am Aktienmarkt zu platzieren. Wer den plötzlichen Einstieg aus Angst vor Schwankungen scheut, kann das Risiko über Sparpläne mindern.
Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 09.12.2024; Quelle: comdirect.de