Herr Röhl, Sie investieren vorrangig in den sogenannten „Dividenden-Adel“. Was macht diese Aktien so interessant?
Dividenden-Adel steht für Aktien, die ihre Dividendenzahlungen über lange Zeiträume kontinuierlich steigern, dabei nur einen angemessenen Teil des Gewinns ausschütten und gleichzeitig eine gewisse Mindest-Dividendenrendite aufweisen. Wenn ein Unternehmen dies über mehrere Wirtschaftszyklen schafft, ist das ein starker Hinweis auf die Resilienz des Geschäftsmodells. Dabei muss die aktuelle Dividendenrendite nicht hoch sein, mir persönlich reicht bei entsprechendem Dividendenwachstum schon gut 1 %. Im Gegenteil: Eine hohe Rendite von 5 % und mehr ist für mich kein Qualitätsmerkmal, sondern ein Warnsignal. Oft resultieren solche Werte aus starken Kursverlusten – auch weil Investoren die Nachhaltigkeit der Dividende bezweifeln.
Landet man bei Investitionen in Dividenden-Adel automatisch in den USA? Oder wo gibt es in Europa interessante Werte?
Die besten Aktien und die meisten Dividenden-Aristokraten kommen aus den USA. Neben den großen und bekannten Bluechips wie Procter & Gamble, Coca-Cola, Pepsi oder McDonald’s gibt es auch zahlreiche wachstumsstarke Aristokraten, die in Europa wenig bekannt sind – etwa den Industrieteile-Händler Fastenal, den B2B-Dienstleister Cintas oder die Technologie-Holding Roper. Zudem steigern Technologiewerte wie Microsoft, Oracle, Cisco und Apple seit mehr als zehn Jahren ihre Ausschüttungen. In Europa fallen die Dividendenzahlungen im Schnitt zyklischer aus, aber es gibt durchaus Dividenden-Aristokraten. Neben Großbritannien mit Diageo und British American Tobacco fällt insbesondere die Schweiz positiv auf. Hier schütten etwa Lindt & Sprüngli, Novartis und Nestlé seit über 25 Jahren Zug um Zug mehr aus. Auch der dänische Diabetes-Spezialist Novo Nordisk ist ein Dividendenaristokrat. Aktuell liegt die Dividendenrendite wegen der exorbitanten Kurssteigerung durch den Erfolg der Abnehmspritze zwar nur bei gut 1 %. Aber das dürfte keinen Anleger stören.
Wen sehen Sie in Deutschland als Musterbeispiele für Dividendenkontinuität?
Am deutschen Markt kommen nur noch elf Aktiengesellschaften auf eine Erfolgsbilanz von mindestens zehn Anhebungen in Serie. Der Schmierstoff-Weltmarktführer und MDAX-Wert Fuchs hält mit 22 Anhebungen den Rekord. Aber auch im DAX gibt es einige starke Dividendenwerte. Bei der Münchener Rück gilt das Motto: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. In den vergangenen 25 Jahren hat die Münchener Rück die Dividende nie gesenkt und durchschnittlich um 12 % pro Jahr erhöht. Wer als Anleger zwischen Oktober 2002 und August 2012 eingestiegen und dabeigeblieben ist, hat seinen Einstandspreis inzwischen brutto komplett durch Dividenden refinanziert. Ähnlich sieht die Bilanz bei der Allianz aus. Mit SAP hat auch das teuerste deutsche Unternehmen seine Dividende seit dem Börsengang 1988 nie gesenkt, nur in fünf von 36 Jahren nicht erhöht und zuletzt 14-mal in Serie angehoben. SAP ist mit einer aktuellen Rendite von 1,2 % sicher nicht die klassische „Dividenden-Aktie“, zeigt aber das Potenzial von Dividenden-Wachstumswerten.
Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 12.08.2024. Quelle: comdirect.de.