Junge Frau in Kletterhalle
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„Dividenden sorgen für Stabilität“

Key Takeaways
  • Dividenden machen rund die Hälfte der Performance aus.
  • Dividendenstarke Aktien erlebten 2022 ein Comeback.
  • Dividendenaktien verkraften hohe Zinsen besser als Tech-Werte.
Portraitbild von Stephan Werner, Fondmanager des DWS
Portraitbild von Stephan Werner, Fondmanager des DWS
Stephan Werner
Diplom-Wirtschaftsinformatiker, DWS
Seit 2007 arbeitet Stephan Werner für die DWS und ist spezialisiert auf Rohstoffwerte mit Fokus auf Chemie- und Agrartitel. Gemeinsam mit Lead-Manager Dr. Thomas Schüßler, Jarrid Klug und Madeleine Ronner verantwortet er den Flaggschifffonds DWS Top Dividende. 

Der DWS Top Dividende (WKN 984811) feiert Ende April seinen 20. Geburtstag. Mit rund 20 Milliarden Euro Volumen ist er einer der größten Fonds in Deutschland. Wie erklären Sie sich den Erfolg?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat sich das Konzept des Fonds in den 20 Jahren seiner Existenz bewährt. Er ist deutlich weniger schwankungsanfällig als der MSCI World oder gar Technologiefonds – insbesondere in schwierigen Phasen wie etwa in der Finanzkrise oder auch im Jahr 2022. Wenn es an den Börsen heftig rappelt, können Dividenden für Stabilität sorgen. Außerdem sind Dividendenfonds für vorsichtige Anleger geeignet, die sich damit an den Aktienmarkt herantrauen können. Die regelmäßigen Ausschüttungen geben auch den Anlegern ein gutes Gefühl, die sich eher auf der Sparerseite sehen. Immerhin hat der Fonds über die vergangenen 20 Jahre rund sechs Milliarden Euro ausgeschüttet.

Dennoch blieb zuletzt auch der DWS Top Dividende hinter Fonds mit Technologiewerten zurück. Gab es zwischendurch keine Kritik der Anleger oder Zweifel an der Strategie?

Der DWS Top Dividende ist ein Themenfonds mit klarer Ausrichtung. Wenn Technologieaktien ohne Dividendenausschüttung abheben, nehmen wir daran eben nicht teil und bleiben in der Performance zurück. Wir werden dann aber nicht teure Technologiefirmen kaufen. Insbesondere 2020 war das für Anleger bitter, als die Technologiemärkte in der Pandemie-Krise haussierten. Aber das Jahr 2022 hat dann wieder einmal gezeigt, dass an der Börse Trends nicht ewig halten – und zumindest eine Beimischung von stabilen Dividendenwerten für einen ruhigeren Schlaf sorgen kann.

Hat sich der Trend mit dem Jahr 2022 nachhaltig geändert?

Die Chancen dafür stehen gut. Wir haben eine historische Phase von Wachstumswerten erlebt. Seit 2008 haben Dividendenwerte die Wachstumswerte auf Jahressicht nur zweimal übertroffen, 2016 und 2022. 2016 stiegen die Zinsen temporär an, 2022 massiv. Gerade kommt der Mehrwert der Dividendenstrategie zum Tragen. In schwierigen Börsenzeiten und bei steigenden Zinsen spielt die Stabilität und Bewertung der Aktien eine zunehmend wichtigere Rolle. Und dabei zeigt sich: Die Bewertungen von Value- und Dividendenaktien sind im Vergleich zur Technologie immer noch günstig – trotz des Einbruchs im Jahr 2022.

Was macht Dividendenfonds langfristig stark und attraktiv für Anleger?

Rund die Hälfte der Gesamtrendite von Aktienanlagen kommt langfristig aus Dividenden. Deshalb haben dividendenstarke Aktien vor dem Technologiehype den Gesamtmarkt im Durchschnitt übertroffen. Grundsätzlich sind sie auch weniger krisenanfällig. Viele sogenannte „Dividendenaristokraten“ halten seit Jahrzehnten ihre Ausschüttungen stabil oder steigern sie – auch in Krisenphasen und in Phasen starker Inflation und Zinssteigerungen.

Sind höhere Zinsen nicht für alle Aktien Gift?

Kursfördernd sind sie grundsätzlich nicht. Das ist schon richtig. Aber es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen weitgehend schuldenfreien Unternehmen mit hohen Ausschüttungen und verluststarken Wachstumsunternehmen, die auf hohe Kredite angewiesen sind. Je stabiler die Unternehmen, umso besser können sie schlechtere Finanzierungskonditionen aushalten. In einer solchen Situation rücken derartige Unternehmen stärker in den Fokus der Anleger.

Dennoch kommen die Einschläge auch für stabile Anlagen näher, wie jüngst das Bankenbeben gezeigt hat. Wie schützen Sie sich?

Vor den viel beschworenen „schwarzen Schwänen“ ist kein Anleger gefeit. Dividendenfonds gehören aber zu den defensiveren Aktienanlagen. Wir sind zudem zurzeit noch etwas vorsichtiger als gewöhnlich, halten relativ viel Kasse und sind zudem in Gold-ETC und Goldminenaktien engagiert. Insgesamt machen diese Positionen rund 17 % des Portfolios aus und können Krisen abpuffern. Schnelle Umschichtungen sind ohnehin nicht Teil unserer Strategie. Das wäre bei einem 20-Milliarden-Fonds auch schwierig. Der DWS Top Dividende bewegt sich wie ein Tanker. Im Durchschnitt bleiben die Werte fünf Jahre im Portfolio.

Müssen Aktien Mindest-Dividendenrenditen aufweisen, um im DWS Top Dividende Aufnahme zu finden?

Aktien ohne jegliche Dividende kaufen wir nicht. Ab 1 % oder 1,5 % Dividendenrendite schauen wir uns Werte genauer an. Die Mehrzahl der Werte im Portfolio liegt zwischen 2 und 4,5 %. Bei Renditen über 5 % sind wir skeptischer, weil sie oft mit schwierigen Unternehmenssituationen und Einbrüchen der Kurse einhergehen. Aber es gibt auch Ausnahmen, zum Beispiel im Rohstoffsektor.

Worauf achten Sie neben der Dividendenrendite?

Grundvoraussetzung ist eine gewisse Größe. In Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter zehn Milliarden Euro können wir aufgrund des Volumens unseres Fonds nicht investieren. Neben der Qualität des Unternehmens und der Dividendenrendite ist ein möglichst kontinuierliches Dividendenwachstum wichtig. Auch die Ausschüttungsquote spielt eine wichtige Rolle. Das ist der Anteil des Gewinns, der an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Normalerweise sollte diese Quote 50 % nicht überschreiten. Regulierte Versorger mit Monopolen können sogar 80 % ihres Gewinns ausschütten, weil ihre Gewinne äußerst stabil sind. In zyklischeren Branchen wie etwa Finanzen und Rohstoffen sollten die Ausschüttungsquoten deutlich geringer sein.

Welche Branchen erfüllen Ihre Anforderungen an Dividendenrendite, Dividendensubstanz und Ausschüttungsquote besonders gut?

Eine wichtige Position machen Rohstoff- und Energieunternehmen aus. Viele Firmen des Rohstoffsektors haben seit der Mitte des vergangenen Jahrzehnts ihre Bilanzen stabilisiert und sind seit 2017 oder 2018 hochprofitabel. Die Dividendenausschüttungen sind sehr hoch. Auch die klassischen Energieunternehmen haben sich mit den hohen Preisen für Öl und Gas deutlich erholt. Finanzwerte gehören ebenfalls traditionell zu unserem Anlageuniversum. Hier setzen wir im Bankensektor vor allem auf skandinavische Werte, die sehr stabil aufgestellt sind. Insgesamt machen diese drei Sektoren rund 40 % des Portfolios aus. Zudem stellen Gesundheit, Konsum, Versorger und Telekom zusammengenommen ebenfalls rund 40 %. Sie sind weniger konjunkturanfällig als etwa die Rohstoffunternehmen.

Gibt es Länder, die aufgrund ihrer Unternehmensstruktur weniger interessant sind? Sind die USA deshalb untergewichtet?

In den USA setzen die Unternehmen mehr auf Aktienrückkäufe als auf Dividenden. Dividenden spielen eine geringere Rolle als in Europa. Deshalb sind wir in den USA immer untergewichtet gewesen, erst recht seitdem US-Aktien wegen der Tech-Hausse im MSCI World immer mehr Gewicht einnahmen. Immerhin sind die USA auch bei uns mit rund einem Drittel bei Weitem das stärkste Land – allerdings fehlen viele Werte, die im MSCI World Index den Ton angeben.

Entsprechend müssen ja andere Regionen übergewichtet sein. Setzen Sie verstärkt auf Europa?

Europäische Unternehmen wurden von internationalen Anlegern in den vergangenen Jahren links liegen gelassen. Weil viele der Firmen aber klassische Dividendenwerte sind, haben wir uns diesem Trend nicht angeschlossen. Inzwischen hat unser Portfolio sogar ein deutliches Übergewicht in Europa. Seit Herbst vergangenen Jahres sind europäische Aktien wieder sehr gefragt und wir profitieren davon. Japan und vor allem Kanada haben ebenfalls starke Dividendenwerte. In weit entwickelten Emerging Markets wie Taiwan investieren wir ebenfalls. Bei anderen sind wir sehr vorsichtig. Russland kommt überhaupt nicht infrage. Aber wir halten auch wegen des Staatseinflusses und der Handelsauseinandersetzungen mit den USA keine direkten Positionen in chinesischen Werten. Stattdessen setzen wir auf Unternehmen aus den industrialisierten Ländern mit starkem China-Geschäft.

Aktuell befinden wir uns kurz vor einer Rezession. Was würde das für Ihren Fonds bedeuten?

In einer Rezession leiden allgemein Unternehmensgewinne und Aktien. Natürlich würde das auch nicht spurlos an unserem Fonds vorübergehen. Allerdings haben sich die konjunkturellen Zeichen in den vergangenen Monaten verbessert. Wir erwarten daher allenfalls eine milde Rezession. Die ist zu verkraften und an den Börsen auch mehr oder weniger eingepreist.

Gleichwohl mehren sich die Zeichen für eine längere anhaltende Periode der Wachstumsschwäche.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Die Inflation und höhere Zinsen dürften mittelfristig die Finanzmärkte belasten. Nach den Preisschüben droht zudem eine Lohn-Preis-Spirale, weil die Arbeitnehmer ihre Reallohnverluste ausgleichen möchten. Die Inflation dürfte für einige Jahre über den Zielen von EZB und US-Fed liegen. In einem solchen Umfeld ist keine Rückkehr zu den Nullzinszeiten möglich. Die Bewertungen der Unternehmen sind angesichts der Aussichten im Durchschnitt ambitioniert. In diesem Umfeld sind stabile Dividenden wahrscheinlicher als üppige Kurszuwächse.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 12.04.2023. Quelle: comdirect.de

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