Mann mit Gepäck betrachtet allein die hügelige Landschaft.
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André Kostolany: Gentleman und Spekulant

Key Takeaways
  • André Kostolany brachte im 20. Jahrhundert den Deutschen die Börse nah.
  • Der ungarische Gentleman nutzte früh Erkenntnisse der Behavioral Finance.
  • Mit gewagten Spekulationen erzielte er vor allem Gewinne mit Anleihen.

André Kostolany starb im September 1999 in Paris. Kurz zuvor hatte der berühmte Börsenmann noch vor dem irrationalen Überschwang an den Technologiebörsen und am Neuen Markt gewarnt: „Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt mit Sicherheit“, zitierte er eine seiner berühmtesten Weisheiten. Wenn die überoptimistischen Anleger auf den alten Mann gehört hätten, wären ihnen große Verluste beim Crash nach der Jahrtausendwende erspart geblieben.

Mehr als 70 Jahre Börsenerfahrung

Nur wenige Anleger waren so lange an den Börsen aktiv wie André Bartholomew Kostolany – mehr als 70 Jahre. 1906 kam er als jüngster Sohn eines Budapester Industriellen im österreich-ungarischen Kaiserreich zur Welt. Trotz seiner jüdischen Wurzeln wurde er katholisch getauft. Er war musisch interessiert und studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte. Kostolanys Vater aber hatte anderes vor. Er schickte seinen Sohn 1925 zum Börsenmakler Adrien Perquel in die Lehre nach Paris. Bis 1940 arbeitete Kostolany als Makler und Berater in der französischen Hauptstadt. Kurz vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht floh er in die USA, nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und wurde Generaldirektor und Hauptaktionär der G. Ballai and Cie Financing Company. Anfang der 1950er-Jahre kehrte er wieder nach Europa zurück. In Deutschland gründete er 1971 gemeinsam mit Gottfried Heller mit der Fiduka eine der ersten Vermögensverwaltungen.

Klassische Ökonomie lernte Kostolany nie und zeitlebens spottete er über die Prognosen von Volkswirten zu Konjunktur und Marktentwicklung. Stattdessen sagte er: „Die Kursentwicklung von Aktien hängt allein davon ab, ob mehr Dummköpfe als Papiere da sind oder mehr Papiere als Dummköpfe!“ Was so plakativ klingt, hatte durchaus eine Grundlage. Der Börsenpsychologe Kostolany nahm damit die Theorie der Behavioral Finance vorweg. Für die kurzfristigen Schwankungen prägte er den Begriff der „zittrigen Hände“, die in starken Marktphasen kaufen und in schwachen mit Verlust verkaufen. Die „Hartgesottenen“ dagegen investieren antizyklisch und erzielen damit die langfristigen Gewinne.

Kostolanys vier Gs: Geld, Geduld, Gedanken und Glück

Ausreichend Geld war für Kostolany die Voraussetzung für Börsenengagements: „Wer viel Geld hat, kann spekulieren, wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren, wer kein Geld hat, muss spekulieren.“ Mindestens ebenso wichtig war für ihn aber die Geduld, denn die Börse braucht manchmal länger, um in die positive Richtung zu laufen. Dafür hatte Kostolany gleich einen Haufen Bonmots zu bieten: „An der Börse ist zwei plus zwei nicht vier, sondern fünf minus eins“ oder auch: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ Gedanken stehen für intensives Analysieren von Chancen und Risiken. Kostolany war vor allem bei seinem Spezialgebiet Anleihen damit sehr erfolgreich. So kaufte er nach dem Zweiten Weltkrieg billig Schuldverschreibungen des Deutschen Reiches. Er spekulierte darauf, dass Deutschland mit einer Rückzahlung seine Kreditwürdigkeit wiedergewinnen wollte – und verhundertfachte seinen Einsatz. Ähnliches gelang ihm in den 1990er-Jahren, als Russland nach dem Ende des Kommunismus alte Zarenanleihen bediente. Ohne etwas Glück schließlich, so meinte Kostolany, verliere der Anleger sein Selbstvertrauen – und damit Geduld und klare Gedanken.

Kostolany als Unterhalter

Kostolany kokettierte damit, dass er mehrmals vor dem Bankrott gestanden habe. „Ich habe mit meinen Börsengeschäften zu 49 Prozent falsch gelegen und zu 51 Prozent richtig“, gestand er. Seinem Ruf hat das nicht geschadet. Die Anleihen-Coups machten Kostolany in Expertenkreisen bekannt. Seine Popularität beim breiten Publikum aber verdankte er seinem Charme und seinen Bonmots. Die gab er auf Ungarisch, Deutsch, Englisch und Französisch zum Besten – in 13 Büchern mit einer Gesamtauflage von rund drei Millionen Exemplaren, in über 400 Kolumnen für das Finanzmagazin „Capital“, bei Auftritten in Funk und Fernsehen und in großen Sälen. Selbst in der Werbung war er aktiv. „Denken Sie mal über Aluminiumaktien nach“, empfahl er den Fernsehzuschauern augenzwinkernd in den späten 90er-Jahren das neue Flaggschiff A8 des Automobilkonzerns Audi mit seiner Aluminium-Karosse. Wie jedes Auto hatte zwar auch das Premiummodell einen Wertverlust – so schnell wie bei den Aktien am Neuen Markt ging es aber bei Weitem nicht.

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