China: Chance oder Risiko für Anleger? Zwei Standpunkte
China: Chance oder Risiko für Anleger? Zwei Standpunkte
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Pro und Contra: An China scheiden sich die Geister

USA, Japan und Europa waren gestern – die Zukunft gehört China! Oder doch eher umgekehrt? Chinas Wachstum jedenfalls schwächelt. Bieten sich Anlegern dennoch oder sogar gerade jetzt Investmentchancen?

Wenn in China eine Schluckimpfung eingeführt wird, explodieren die Zuckerpreise – so sagte manch ein Analyst vor zehn Jahren. Die Begründung damals: Die schiere Masse macht’s. Das klingt plausibel. Wenn 1,37 Milliarden Chinesen zu mehr Wohlstand gelangen, werden Güter aller Art und aus der gesamten Welt nachgefragt. Ob Luxusuhren, Smartphones, Fleisch, Autos, Milch oder auch nur Zucker: Die Nachfrage steigt und kurbelt die Wirtschaft an. Tatsächlich ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt über Jahre zweistellig gewachsen. Rasant steigende Exporte haben Geld ins Land gebracht. Doch der Konjunkturmotor ist ins Stottern geraten. Seit dem Hoch im Jahre 2007 hat sich das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von jährlich gut 14 % auf zuletzt knapp 7 % mehr als halbiert.

Grund zur Besorgnis? Darüber streiten sich die Profis. Nominal – also gemessen in Werteinheiten – wächst die Wirtschaft heute stärker als 2007, ganz einfach, weil die Basis sich nahezu verdreifacht hat.

Auf der anderen Seite mehren sich die Zweifel, dass China den Wachstumskurs halten kann. Die einfache Formel „Viele Menschen gleich Wachstum“ jedenfalls scheint nicht automatisch aufzugehen. Seit dem Herbst vergangenen Jahres bekamen das auch Investoren zu spüren. Im Januar 2016 musste sogar der Handel an den wichtigsten Börsen in Schanghai und Shenzhen nach heftigen Verlusten mehrfach ausgesetzt werden. Grund für die Turbulenzen, die die Börsen weltweit zum Beben brachten, waren schwache Wirtschaftsdaten. Ergibt es für Anleger Sinn, in Zukunft auf China zu setzen?

Pro
Clemens Mayer-Schoene ist Spezialist für Emerging Markets bei HSBC Global Asset Management (Deutschland) GmbH
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© Das Fotostudio – Sabrina Wacker

Von Klagen über zu niedrige Wachstumsraten in China sollte sich niemand beeindrucken lassen.

Clemens Mayer-Schoene,“ Spezialist für Emerging Markets bei HSBC Global Asset Management (Deutschland)

„Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist im Umbau, und das geht erwartungsgemäß nicht ohne Schleifspuren vonstatten. Das produzierende Gewerbe schwächelt, und das ist auch beabsichtigt, denn der Fokus wird zukünftig auf dem Dienstleistungssektor liegen, der eine höhere Wertschöpfung verspricht. Zwar wachsen die Exporte nicht mehr, da sich viele Abnehmerländer Wachstumsdellen ausgesetzt sehen und chinesische Produkte wegen des seit rund zehn Jahren aufwertenden ­Renminbis teurer wurden. Aber auch hier gilt: Exporte sind wegen der Abhängigkeit vom Ausland nicht länger im Fokus der Regierung. Deshalb ist auch nicht mit einer gezielten Abwertung des Renminbis zu rechnen.

Der Dienstleistungssektor zeigt Erfolge. Die Wachstumsraten liegen bei über 10 %, und die Einkaufsmanagerindizes signalisieren weitere Expansion. Der Immobilienmarkt, der für die Vermögen chinesischer Haus­halte eine weit größere Bedeutung hat als der sehr volatile Aktienmarkt, zeigt deutliche Anzeichen einer Belebung. Die Öffnung der Finanzmärkte wird einen freieren Kapitalverkehr und eine effizientere Preisfindung erlauben. Parallel werden soziale Reformen wie die Gleichstellung von Wanderarbeitern und Stadtbevölkerung in Ballungsräumen die Besetzung der neu geschaffenen Stellen im Tertiärsektor sichern. Und zu guter Letzt: Die chinesische Führung hat sowohl den Willen als auch die Mittel, sich dem Abschwung entgegenzustellen. Anleger sollten China also auf keinen Fall von der Liste streichen. Chinesische Aktien sind scheinbar ‚günstig‘, und viele Experten raten dazu, mit Invest­ments von einer möglichen Erholung zu profitieren. Doch Anleger sollten vorsichtig sein. Schließlich lässt das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft seit Jahren nach und befindet sich derzeit auf dem Niveau von 2009. Schlechte Zahlen aus China haben zu Jahresbeginn auch den DAX auf Talfahrt geschickt. Das zeigt, wie sensibel das Thema China für die Weltwirtschaft ist. Außerdem halten sich weiterhin Gerüchte, nach denen China so manche Wirtschaftszahl manipuliert, um besser dazustehen. Ob die Zahlen wirklich stimmen, lässt sich nur sehr schwer nachprüfen. Die Publizitätspflichten sind nicht mit den in Europa oder den USA gel­tenden Standards vergleichbar.

Contra
Stephan Witt ist Anlagestratege der FiNUM.Private Finance AG, Berlin
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Undurchsichtige Daten und schwaches Wachstum – Anleger sollten von China vorerst die Finger lassen.

Stephan Witt, Anlagestratege der FiNUM.Private Finance AG, Berlin

„Chinesische Aktien sind scheinbar ‚günstig‘, und viele Experten raten dazu, mit Invest­ments von einer möglichen Erholung zu profitieren. Doch Anleger sollten vorsichtig sein. Schließlich lässt das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft seit Jahren nach und befindet sich derzeit auf dem Niveau von 2009. Schlechte Zahlen aus China haben zu Jahresbeginn auch den DAX auf Talfahrt geschickt. Das zeigt, wie sensibel das Thema China für die Weltwirtschaft ist. Außerdem halten sich weiterhin Gerüchte, nach denen China so manche Wirtschaftszahl manipuliert, um besser dazustehen. Ob die Zahlen wirklich stimmen, lässt sich nur sehr schwer nachprüfen. Die Publizitätspflichten sind nicht mit den in Europa oder den USA gel­tenden Standards vergleichbar.

Der Aktienmarkt in China hat sich von der Realwirtschaft abgekoppelt. ­Chinesen haben die Börsen nach oben getrieben, bevor sich die Blase schließlich ein Stück weit entlud. Die chinesische Regierung soll den ­Aktienmarkt im dreistelligen Milliardenbereich gestützt haben, um ein weiteres Abrutschen der Kurse zu verhindern. Um ein schnelleres Wachstum zu erzeugen, wurden auch gigantische Summen im Immobiliensektor investiert. Fragwürdig ist hingegen, ob die Kredite auch in voller Höhe zurückgezahlt werden können oder ob eine ähnliche Immobilien­krise wie 2007 droht. Anleger ­sollten also beim Thema China eher sehr ­vorsichtig handeln, um keine böse Überraschung zu erleben.“

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