„Ab dem Sommer erwarten wir Gegenwind“

Key Takeaways
  • Das Börsenjahr wird zweigeteilt und erfordert hohe Wachsamkeit.
  • Hoch bewertete Technologiewerte müssen mit Rückschlägen rechnen.
  • Substanzwerte aus Asien und Lateinamerika sind attraktiv bewertet.
  • Der hohe Goldpreis ist eine Reaktion auf die zunehmend instabile Weltordnung.
Porträt von Markus Steinbeis, Gründer der Münchner Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH
Porträt von Markus Steinbeis, Gründer der Münchner Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH
Markus Steinbeis
Gründer der Münchner Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH
Markus Steinbeis ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Münchner Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH. Zuvor war er 13 Jahre lang als Spezialist für Substanzwerte-Strategien bei Pioneer Investments tätig und fünf Jahre lang Leiter Portfoliomanagement bei der Vermögensverwaltung Huber, Reuss und Kollegen.

Herr Steinbeis, das Börsenjahr hat gut begonnen. Haben Sie damit gerechnet?

Ja, entsprechend offensiv waren und sind wir positioniert. Die „amerikanische Ausnahme“ mit ihrer starken Wirtschaft und guten Wachstumsraten kann die Märkte noch einige Monate weitertreiben. Ab dem Sommer erwarten wir jedoch Gegenwind. Nicht unbedingt für Aktien an sich. Da gibt es rechts und links von den Technologiegiganten interessante Anlagemöglichkeiten. Aber die bekannten Indizes wie S&P 500, NASDAQ 100 und auch der MSCI World dürften unter Druck kommen.

Oft gibt der erste Monat den Ton für das Jahr an. Das sehen Sie für 2025 also nicht so?

Ich fürchte: Das Börsenjahr wird zweigeteilt und erfordert hohe Wachsamkeit. Einen linear positiven Prozess wie in den vergangenen beiden Jahren sehe ich nicht. Es gibt konjunkturelle und politische Risiken, ebenso Staatsschuldenrisiken. Vor allem aber zeigt die historische Erfahrung, dass nach einem inflationären Schock wie 2022 oft noch ein zweiter kommt. In den USA ist die Zielmarke von 2 % Inflation noch weit entfernt. Zuletzt stiegen die Preise wieder stärker. Und Zölle und Migrantenausweisungen dürften diesen Trend anheizen.

Warum machen Sie sich gerade um die populärsten Produkte der Privatanleger Sorgen?

Diese Indizes sind inzwischen klassische Growth-Indizes und nach Marktkapitalisierung gewichtet. Das macht sie und entsprechende ETFs anfällig für Anstiege der Inflation. Die Magnificent Seven stehen im S&P für fast 30 % Anteilsvolumen – sieben Aktien von 500! Im MSCI World sind es annähernd 20 % – sieben Aktien von rund 1.400! Diese Konzentration ist nicht gesund, so hervorragend die Unternehmen selbst auch sein mögen. Zugleich sorgen die Technologiewerte für eine extrem hohe Bewertung des amerikanischen Aktienmarktes. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis im S&P liegt bei 25, das Shiller KGV auf Rekordniveau und auch nach den Maßstäben von Warren Buffett ist der US-Markt wegen der Technologierally annähernd so bewertet wie zur Jahrtausendwende. Danach gab es den großen Crash.

Welcher Anlass könnte die Korrektur auslösen?

Eine Konjunkturkrise oder ein Inflationsschub mit möglicherweise sogar steigenden Leitzinsen. Diese Kombination hat gerade den Technologieaktien schon im Jahr 2022 den Zahn gezogen und bei ihnen zu überproportionalen Verlusten geführt.

Würden solche Szenarien nicht alle Aktien treffen?

Grundsätzlich ja. Die entscheidende Frage ist aber: Welches Szenario ist in den aktuellen Kursen eingepreist? Wo gibt es positives und negatives Überraschungspotenzial? Da zeigt sich: Nach der Trump-Wiederwahl sind vor allem die Tech-Werte und der Bitcoin durch die Decke gegangen. Der positive Effekt von Steuererleichterungen und Deregulierung wurde schon in den Kursen diskontiert, bevor Trump überhaupt ins Amt eingeführt wurde. Gleichzeitig scheinen viele Anleger von weiter exponentiell steigenden Gewinnkurven auszugehen. Das kann schnell teuer werden, wie die Reaktion der Nvidia-Aktie auf DeepSeek gezeigt hat.

Das gilt für Unternehmen aus anderen Branchen nicht?

Zumindest weit weniger. Amerikanische Aktien aus Öl, Energie und Industrie sind immer noch vergleichsweise günstig zu haben. Noch preiswerter sind Substanzwerte aus anderen Ländern – auch weil Anleger die Zollpolitik von Trump fürchten und nicht an mögliche Kompromisse glauben.

Ist das ein Grund für den insgesamt besseren Jahresstart der europäischen im Vergleich zu den US-Aktien?

Der Trend von Wachstum zu Value spricht im Prinzip für europäische Unternehmen. Denn hier gibt es viele Traditionsunternehmen aus Branchen wie Chemie und Industrie, Pharma und Handel. Sie sind im historischen Vergleich attraktiv bewertet. Allerdings haben Europa und speziell Deutschland wegen der hohen Kosten an Wettbewerbsfähigkeit verloren, wie sich in der deutschen Automobilwirtschaft dramatisch zeigt. Ich sehe eine Gegenbewegung, aber für einen strategischen Schwenk reicht das meines Erachtens nicht aus.

Wo sind die Aussichten besser?

Da, wo die Perspektiven noch schlechter eingeschätzt werden und die Bewertungen entsprechend tief sind. Aktuell etwa droht Trump mit massiven Zöllen für weite Teile der Welt. Eine Überraschung wäre: Es kommt längst nicht so schlimm. Ich halte das für realistisch, weil Trumps Mitarbeiter wissen, dass es bei Zollkriegen langfristig nur Verlierer gibt. Von ausbleibenden oder schon milder als heute erwartet verlaufenden Zollkonflikten würden chinesische Unternehmen stark profitieren. Sehr günstig bewertet sind auch Mexiko und Brasilien. In Brasilien liegt das Wachstum bei knapp 4 % und es gibt Reallohnsteigerungen. Das Durchschnitts-KGV im Bovespa-Index liegt bei sieben, die Dividendenrendite ist überdurchschnittlich hoch. Insgesamt sehe ich dort überdurchschnittliche Kurschancen, zum Beispiel bei Rohstoff- und Minenunternehmen.

Seit drei Jahren gibt es wieder Zinsen. Können Anleihen ihren alten wichtigen Beitrag für die Stabilität eines Portfolios leisten?

Wohl kaum. Der entscheidende Grund dafür ist die zunehmende Gleichentwicklung von Aktien- und Rentenmärkten. Bei einer plötzlich anziehenden Inflation leiden Tech-Werte und Anleihen gleichermaßen. Deshalb hat im Jahr 2022 ein Musterportfolio aus 60 % Aktien und 40 % Anleihen so schlecht abgeschnitten wie seit 1937 nicht mehr. Hinzu kommt die zunehmende Verschuldung der Staaten. Selbst die USA haben Probleme, ihre enormen Budgetdefizite zu finanzieren. Seit vergangenem Herbst hat die Fed den Leitzins um insgesamt einen Prozentpunkt zurückgenommen. Am langen Ende sind die Renditen dennoch gestiegen und sorgen damit für Verluste. Mit amerikanischen Staatsanleihen oder Bundesanleihen werden Anleger auf Sicht kaum die Inflation ausgleichen, geschweige denn reale Renditen erzielen können.

Welche Alternativen zu Anleihen sind für Sie besser zur Stabilisierung des Portfolios geeignet?

Rohstoff- und Minenaktien, Infrastrukturwerte und vor allem Edelmetalle. Gold etwa ist gerade in tendenziell instabilen Zeiten ein wertvoller Depotbaustein. Das hat sich in den vergangenen drei Jahren gezeigt. 2022 war Gold fast das einzige Asset, das für Stabilität sorgte. Nach einem eher normalen Goldjahr 2023 legte 2024 der Preis für eine Unze noch stärker zu als DAX, Dow oder S&P 500 – obwohl die Bedingungen mit steigenden Zinsen und einem starken Dollar eigentlich gar nicht für das Edelmetall sprachen.

Gold liegt am Allzeithoch. Kann die Hausse wirklich noch weitergehen?

Der Anstieg zeigt die Reaktion auf eine ökonomisch und politisch zunehmende instabile Weltordnung. Weltweit setzen Zentralbanken wieder verstärkt auf Gold als Währungsreserve. Dieser Trend dürfte angesichts der aktuellen Spannungen eher zunehmen. Wenn dann noch die private Nachfrage in Ländern wie Indien und China anzieht, ist mit weiteren Steigerungen beim Goldpreis zu rechnen. Mit einer Goldbeimischung von 5 bis 10 % kann man davon profitieren. Auch Silber bleibt wegen der zahlreichen industriellen Anwendungen interessant.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 09.02.2025; Quelle: comdirect.de

Heinz-Peter Arndt, Diplomvolkswirt und Diplomjournalist, schreibt seit über 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage
Heinz-Peter Arndt, Diplomvolkswirt und Diplomjournalist, schreibt seit über 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage
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Heinz-Peter Arndt
Der Diplomvolkswirt und Diplomjournalist schreibt seit mehr als 30 Jahren über Konjunktur, Finanzmärkte und private Geldanlage.
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