3 Fragen an Lars Murek: „Wir erwarten eine Stagflation“

Portraitbild des Investmentexperten Lars Murek
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Lars Murek
Chief Investment Officer
Lars Murek hat Wirtschaftsmathematik studiert. Nach Stationen bei Talanx und HSBC ist er seit 2021 Chief Investment Officer bei der Kölner Vermögensverwaltung Portfolio Concept.

Auch schwache Wirtschaftsdaten und steigende Zinsen haben den Aktienmarkt 2023 erst bei den Allzeithochs im Juli stoppen können. Warum?

Dafür sehe ich 3 Gründe: Zum einen gab es eine gewisse Erholungsrally. Erinnern wir uns: Vor genau einem Jahr befürchteten viele einen Energie-Blackout und eine tiefe Rezession in den USA und Europa. So weit ist es zum Glück nicht gekommen. Zum anderen sind die Inflationsraten sukzessive von ihren Höchstmarken zurückgefallen. Entsprechend befinden wir uns inzwischen am Ende des Zinserhöhungszyklus. Drittens hat das Thema künstliche Intelligenz zuletzt für Kursfantasie gesorgt. Die großen US-Technologiewerte wurden zu neuen Höhen getragen und haben den Gesamtmarkt mitgezogen.

Jetzt sind wir im traditionell guten Börsenhalbjahr angekommen. Insbesondere im 4. Quartal schneiden die Märkte überdurchschnittlich gut ab. Erwarten Sie das auch für 2023?

Grundsätzlich sollte man Investitionen am Aktienmarkt unserer Meinung nach nicht vorrangig von der Saisonalität abhängig machen. Aber in der Tat haben die Märkte in den vergangenen traditionell schwachen Monaten August und September korrigiert und die höhere Volatilität birgt Chancen. Entscheidend ist für uns jedoch die Unternehmensauswahl. Zykliker sind angesichts des wirtschaftlichen schwierigen Umfelds zurzeit eher mit Vorsicht zu betrachten. Technologiewerte halten wir für grundsätzlich interessant; aber sie sind weiterhin recht teuer. Das beste Chance-Risiko-Verhältnis sehen wir bei Qualitätsaktien von Unternehmen mit stabilen Gewinnen, geringer Verschuldung und angemessener Bewertung. Die finden sich zum Beispiel in der Industrie oder in der weitgehend konjunkturunabhängigen Gesundheitsbranche.

Auf welche Warnsignale sollten Anleger achten? Wann wäre es an der Zeit, deutlich vorsichtiger zu werden?

Die Konjunkturlage ist weiterhin schwierig und trübt die kurz- und mittelfristigen Aussichten. Denn die massiven Zinserhöhungen haben die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen verschlechtert und bremsen auch den Konsum. Wir erwarten daher – wie die meisten Marktteilnehmer – eine Phase der Stagflation mit einem Nullwachstum und Inflationsraten deutlich über 2 %. Wenn es dabei bleibt, dürften die Börsen nicht negativ beeinflusst werden. Schwieriger würde es bei einer tieferen Rezession mit deutlich negativen Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne oder einem Überschießen der Inflation in Richtung der Werte vom vergangenen Herbst. Dann käme der optimistische Zinsausblick in Gefahr.

Bei diesem Interview handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, der nicht die Meinung der comdirect – einer Marke der Commerzbank AG – wiedergibt. Die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Aktien unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Stand: 17.10.2023; Quelle: comdirect.de

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