5 % Zinsen – über einen solchen Zinssatz würde sich heute jeder Anleger freuen. Und Anleger hätten auch allen Grund dazu. Denn dank der niedrigen Geldentwertung würde der Zinssatz einen echten Vermögenszuwachs bedeuten. Anders sähe es bei 5 % Inflation aus. Hier würde die Kaufkraft merklich sinken und die Verzinsung gerade zum Erhalt des Vermögens ausreichen. Der Realzins gibt an, wie sich eine Geldanlage tatsächlich verzinst. Wir erklären, wie sich der Realzins berechnet und wie er sich in den vergangenen Jahren in Deutschland entwickelt hat.
Realzins und Nominalzins – was ist der Unterschied?
Bei verzinslichen Geldanlagen oder Krediten wird ein vertraglich vereinbarter Nominalzinssatz für die Berechnung der Zinsen zugrunde gelegt. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: bei einem Festgeldkonto über 100.000 Euro werden bei einer Laufzeit von einem Jahr 1 % Zinsen vereinbart. Nach 12 Monaten würde sich dann ein Zinsertrag von 1.000 Euro ergeben. Das ist der Betrag, der nach Ablauf der Festlegungsdauer gutgeschrieben wird.
Der Wert des Geldes verändert sich allerdings während des Festlegungszeitraums, denn er wird in der Regel durch Inflation geringer. Demzufolge können die 100.000 Euro nach einem Jahr weniger wert sein als heute. Die Geldanlage bietet nur dann einen Mehrwert bzw. Vermögenszuwachs, wenn der verbuchte Zinsertrag die Geldentwertung durch Inflation mehr als ausgleicht. Das ist im Beispiel dann der Fall, wenn die Inflationsrate unter 1 % liegt.
Der Realzins gibt per Definition an, wie sich der Wert einer verzinsten Geldanlage oder Forderung unter Berücksichtigung der Veränderung der Kaufkraft (das heißt von Inflation oder eventuell Deflation) tatsächlich entwickelt. Er ist anders als der Nominalzins im Vorhinein nicht bekannt, sondern muss im Nachhinein aus der Nominalverzinsung und der ermittelten Veränderung der Kaufkraft berechnet werden.
Wie berechnet man den Realzinssatz?
r = Realzinssatz
i = Nominalzinssatz
π = Inflationsrate
(jeweils als Prozentwert: 5 % = 0,05)
Um den Realzins zu berechnen, wird folgende mathematische Formel verwendet:
r = ((1+i))/((1+ π)) x 100 – 100
Näherungsweise behilft man sich oft mit dieser einfachen Realzins-Formel:
r = i – π
Um den Realzins zu berechnen, wird vom Nominalzins die Inflationsrate abgezogen.
Beispiel:
Nominalzins = 5 %
Inflationsrate = 4 %
Dann ergibt sich bei der exakten Berechnung ein Realzinssatz von 1,05/1,04 x 100-100= 0,96 % und bei der Näherungsrechnung ein Realzins von (5 % – 4 %) = 1 %.
Aus der Realzinsformel lässt sich auch ganz einfach erkennen, wie die Inflation den Realzins beeinflusst. Ist die Inflationsrate genauso hoch wie der Nominalzins, liegt der Realzinssatz bei 0 %. Übersteigt die Inflationsrate den Nominalzins, wird der Realzins negativ. Es kommt zu einem realen Vermögensverlust. Dieser ist bei Nominalzinsen über null jedoch unter Umständen immer noch besser als auf die Geldanlage ganz zu verzichten und das Geld im berühmten Sparstrumpf anzusparen. Die Verzinsung könnte den Verlust womöglich zum Teil ausgleichen. Reale Vermögensmehrung ist allerdings nur möglich, wenn der Nominalzins über der Inflationsrate liegt. Und auch dann ist die Vermögensmehrung nicht garantiert, da andere wirtschaftliche oder globale Einflüsse sich negativ auf Geldanlagen auswirken können.
Die Fisher-Gleichung: Die Fisher-Gleichung beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Nominalzins und dem Realzins. Demnach ergibt der Realzins r zuzüglich der erwarteten Inflationsrate „π“ e den Nominalzins i. Es ergibt sich: i = r + π
10 % Nominalverzinsung sind bei 8 % Inflation genauso zu werten wie 3 % Nominalzins bei 1 % Inflation. Der Realzins beträgt in beiden Fällen 2 %. Vielfach wird bei negativen Realzinsen auch von einer Realzinsfalle gesprochen. Realzinsfalle deshalb, weil sich der Vermögensverlust für den Sparer schleichend und unmerklich einstellt. Nominal wächst das Vermögen meist noch, während sein realer Wert in der Regel schon sinken kann.
Wie hat sich der Realzins in Deutschland entwickelt?
Gut zu wissen: Das comdirect Realzins-Radar wird viermal im Jahr jeweils auf Quartalsbasis ermittelt und zeigt die mehrjährige Entwicklung des Realzinses.
Schaut man sich das aktuelle comdirect Realzins-Radar an, dann waren die durchschnittlichen Realzinsen bei Bankeinlagen (Girokonten, Tagesgeldkonten, Spareinlagen und Festgeldkonten) in den vergangenen drei Jahren (Stand November 2020) durchweg negativ. Im dritten Quartal 2020 wurden die Realzinsen erstmals seit längerer Zeit wieder positiv. Der Grund dafür liegt nicht in der Nominalzinsentwicklung, sondern in der Entwicklung der Inflationsrate. Vorher bewegte sich die Inflationsrate in Deutschland über einen längeren Zeitraum überwiegend in einer Bandbreite von 1 bis 2 %.
Realzins-Anstieg im aktuellen comdirect Realzins-Radar
Negative Realzinsen werden häufig mit der Niedrigzinspolitik der EZB in Verbindung gebracht. Seit der Finanzkrise hat die Euro-Notenbank die Leitzinsen immer weiter gesenkt und die Märkte über Anleihekäufe zusätzlich mit Geld beeinflusst, um die Wirtschaft im Euroraum zu stimulieren. Das führte zu einem allgemeinen Zinsverfall – sowohl bei Geldanlagen als auch bei Krediten. Die Inflation blieb aber trotz der lockeren Geldpolitik niedrig, deshalb gab es noch bis ca. Ende 2010 überwiegend positive Realzinsen. Erst im Zuge weiterer Leitzinssenkungen sind die Realzinsen bis in die jüngste Zeit durchweg negativ geworden.
Wenn die Leitzinsen bei null liegen oder wie bei der Einlagenfazilität sogar negativ sind, können auch die Zinsen für Bankeinlagen nicht übermäßig hoch sein. Selbst bei geringen Inflationsraten und relativer Preisstabilität sind dann negative Realzinsen zu erwarten. Allerdings zeigt gerade die aktuelle Realzinsentwicklung, dass auch Faktoren jenseits der Geldpolitik den Realzins beeinflussen können.
Noch deutlicher wird das bei einem Blick auf den deutschen Realzins in der Vergangenheit. Wie aus der untenstehenden Infografik ersichtlich ist, gab es im Zeitraum von Ende 1974 bis April 2003 mehrere Phasen mit negativen Realzinsen – lange vor der Niedrigzinspolitik der EZB.
Auffällig ist, dass die Phasen mit negativen Realzinsen durchweg in Zeiten mit Inflationsspitzen aufgetreten sind, wobei die Geldentwertung insgesamt über die Zeit tendenziell geringer geworden ist. In den 1970er Jahren existierte zum Beispiel ein starker Preisauftrieb mit gleichzeitigem Verlust an Kaufkraft im Zusammenhang mit dem sogenannten Ölpreisschock oder in den 1990er Jahren im Zuge der deutschen Wiedervereinigung.
Negative Realzinsen – Konsequenzen für Geldanlage (und Kreditaufnahme)
Die Realzinsfalle kann nicht nur bei Bankeinlagen auftreten. Bei Anleihen wirkt sie sich unter Umständen noch viel stärker aus. Eine Besonderheit stellen inflationsindexierte Anleihen dar. Hier müssen nominale Rendite und reale Rendite stets gleich sein, sofern Rückzahlungsbetrag und Kuponzahlungen im Verhältnis 1:1 der Inflationsrate angepasst werden.
Positive Realzinsen bzw. -renditen erfordern heute vielfach verzinsliche Anlagen, die deutlich höhere Nominalzinsen bieten als auf dem klassischen Sparbuch, Tagesgeldkonto, Festgeldkonto oder bei Bundesanleihen und anderen Anleihen üblich. Solche Anlagen sind immer mit einem höheren Risiko verbunden, weil unter anderem die Bonität des Anbieters bzw. Emittenten nicht erstklassig ist oder der Einlagenschutz nicht den deutschen Standards entspricht.
Negative Realzinsen können theoretisch auch bei Krediten auftreten. Das wäre dann keine Realzinsfalle, sondern ein positiver Aspekt für Kreditnehmer. Die Inflation würde die Kreditkosten mehr als „auffressen“. In der Realität bewegen sich die Kreditzinsen allerdings mehr oder weniger deutlich über der Inflationsrate. Anders sieht es beim Staat als Kreditnehmer aus. Hier sind Null- und Niedrigzinskupons mit negativen Realrenditen schon länger Realität.
Sie haben Fragen? Wir antworten gerne!
Sie haben weitere Fragen und um das Thema Geld anlegen, zu Zinsen und Rendite oder zu Ihren Bankgeschäften bei comdirect? Dann können Sie jederzeit unsere Kundenbetreuer kontaktieren – per Telefon unter 04106 – 708 25 00, über unser Kontaktformular oder per Live-Chat. Unsere Kundenbetreuer sind rund um die Uhr für Sie erreichbar: 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.